Grenzüberschreitungen liegen im Wesen der Kunst, und wer sie ausübt, strebt oft nach sehr verschiedenen Möglichkeiten des Ausdrucks. Künstlerische Grenzüberschreitungen sind auch das große Thema, dem die Lübecker Museen zurzeit mit drei sehr unterschiedlichen Ausstellungen nachspüren. Den Schwerpunkt bildet das Behnhaus/Drägerhaus mit der Schau „Wortkünstler/Bildkünstler“, in der es um Bilder geht, die von Dichtern geschaffen worden sind. Die Ausstellung zeigt meist kleinformatige Arbeiten auf Papier, Werke von Autoren wie Victor Hugo, Hans-Christian Andersen oder Wilhelm Busch. Bei Busch ist die Doppelbegabung besonders ausgeprägt, denn er war kein Dichter, der auch malt, sondern Dichter und Maler gleichermaßen. Joachim Ringelnatz ist vor allem als Dichter sehr populär, sein bemerkenswertes bildkünstlerisches Werk, vor allem Ölbilder, die manchmal an den Magischen Realismus eines Franz Radziwill erinnern, sind weit weniger bekannt. Auffällig ist bei vielen malenden Dichtern ihre ausgeprägte Lust am künstlerischen Experiment. „Vielleicht waren Wortkünstler auch deshalb dazu bereit, weil sie in der Regel nicht von ihren Bildern leben mussten“, meint Kurator Ulrich Luckhardt, der die Ausstellung zunächst für die Internationalen Tage Boehringer Ingelheim konzipiert hat. Ein völlig eigenständiges, mit den Bildern der übrigen Dichter auch kaum vergleichbares Werk hat die aus Rumänien stammende Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller mit ihren Textcollagen geschaffen. Sie schneidet Wörter aus, erfindet daraus poetische Texte, die sie auf Blätter klebt. Diese erlangen dabei eine ganz bildkünstlerische Ästhetik.

Wenn Markus Lüpertz dichtet, tut er das als Maler. Und wenn er seine Gedichte an die Wände eines Ausstellungsraums im Günter-Grass-Haus schreibt, entsteht dabei ein Schriftbild. Liebe, Tod, Krieg und Kunst sind die vier Themen, denen sich dieser wichtige deutsche Gegenwartskünstler mit Bildern, Skulpturen, aber eben auch mit Gedichten widmet. Um sich anregen zu lassen und in einen Dialog zu treten, versammelt er die Heroen von Mythologie, biblischer Überlieferung und Kunstgeschichte um sich, auch außerhalb des Museums: In die Sichtachse des Holstentors stellt er einen Odysseus aus Bronze, auch als Werbung für die Ausstellung „Unruhe im Olymp“ im Günter-Grass-Haus.

Auch Heinrich Mann hat zwar gezeichnet, freilich nur in sehr privatem Rahmen. Seine Grenzüberschreitung ist ganz wörtlich gemeint, denn das Buddenbrookhaus thematisiert die Beziehung des älteren Mann-Bruders zu Frankreich. Dabei wartet die von den Berliner Autoren Manfred Flügge enorm fakten- und kenntnisreich gestaltete Ausstellung mit einigen Überraschungen auf: Zum Beispiel belegt sie, dass Heinrich Mann in der Öffentlichkeit zwar als großer Frankreich-Freund und -Verteidiger bekannt ist, das Land aber vor seinem Exil so gut wie nie besucht und daher kaum gekannt hat. Frankreich war für Mann eher Vorstellung als Realität, was die Ausstellung mit dem Titel „Traumland und Zuflucht“ auf einen treffenden Nenner bringt.

Papier. Wortkünstler. Bildkünstler bis 20.10. Museum Behnhaus Drägerhaus, Königstraße 9–11

Unruhe im Olymp bis 10.11. Günter-Grass-Haus, Glockengießerstraße 21

Traumland und Zuflucht bis 12.11. Buddenbrookhaus, Mengstraße 4