Wenn Kay-Peter Suchowa vom Archäologischen Museum Hamburg bei Grabungen ein interessantes Objekt im Boden findet, freut er sich. Aber wichtiger als das Stück an sich ist ihm das, was es ihm erzählen kann.

Ich sehe was, was du nicht siehst“, könnte der Leitspruch der Archäologen heißen. Wo der Laie nichts als Schmutz, Lehm oder dunkle Erde sieht, erschließt sich dem Experten häufig ein spannender Blick in die Vergangenheit. „Hier sind wir im 13. Jahrhundert“, sagt Kay-Peter Suchowa und zeigt auf die untere Kante der Grube, die er und seine Kollegen vom Archäologischen Museum Hamburg in den letzten Tagen an der Harburger Schlossstraße gegraben haben. Suchowa ist der wissenschaftliche Grabungsleiter dieses Projekts, das bis in die Anfänge der Harburger Siedlungsgeschichte zurück führt.

„Hier, wo bald wieder Häuser erbaut werden, stand vor 700 Jahren schon einmal ein Haus“, sagt er, und zeichnet dessen imaginären Grundriss mit den Fingern nach: „Und dort war die Feuerstelle.“ Suchowa erzählt, wie sich der Charakter der Siedlung im Lauf der Jahrhunderte verändert hat. Archäologen brauchen zweierlei: solides Fachwissen und ziemlich viel Fantasie. Suchowa hat beides. „Wenn ich in eine Grabung blicke, habe ich schon ein 3-D-Modell im Kopf, sehe ziemlich genau, was früher hier gewesen ist“, sagt er, und zeigt auf die Funde, die ein Kollege gerade säubert und auf ein engmaschiges Rost legt. Ziemlich viel findet man zurzeit an der Harburger Schlossstraße: Gürtelschnallen, Tonpfeifen oder auch Pilgerzeichen. „Hier ist jemand nach Wilsnack gepilgert, das lässt sich genau identifizieren“, sagt der Grabungsleiter und erzählt, dass das in der Prignitz gelegene Wilsnack aufgrund eines „Blutwunders“ vom späten 14. bis ins frühe 16. Jahrhundert hinein Hunderttausende Pilger angelockt hat. „Es gab auch Berufspilger, die für reiche und beschäftigte Kaufleute die Pilgerreise übernahmen und für sie den Ablass erwirkten“, erzählt er und fügt schmunzelnd hinzu, dass das für ihn der Traumberuf gewesen wäre, hätte er im 14. Jahrhundert gelebt.

Wenn der Grabungsleiter ein interessantes Objekt im Boden findet, freut er sich, aber wichtiger als das Stück an sich ist ihm das, was es ihm erzählt. „Wir suchen keine Schätze, sondern Spuren der Geschichte. Und dass unser Museum einerseits für die Bodendenkmalpflege in Hamburg zuständig ist, andererseits aber den Besuchern auch Geschichte vermittelt, finde ich ideal“, sagt der Archäologe. Und was treibt ihn an, worin sieht er den Sinn seiner Arbeit? „Ich möchte die Geschichte so vermitteln, dass man daraus lernen kann“, sagt Kay-Peter Suchowa und fügt hinzu: „Auch wenn das leider nur selten zu gelingen scheint.“