JazzBaltica lockt mit regionalem Programm und vielen Umsonst-und-draußen-Konzerten

Mit der Ostsee im Herzen die Heimat umfassen: So ließe sich die programmatische Leitlinie des Festivals JazzBaltica unter der Ägide des Posaunisten Nils Landgren formulieren. In seinem zweiten Jahr bespielt der künstlerische Leiter erneut die Große Halle der Evers-Werft in Niendorf an der Ostsee und eine auf dem Gelände installierte Opern-Air-Bühne mit Bands aus Polen, Lettland, Norwegen, Schweden und Island – vor allem aber aus Deutschland. Und er verwandelt das einst leicht elitäre High-End-Festival für betuchte Camper in ein gemütliches Volksfest an Fischbrötchen.

Das diesjährige Programm verzichtet komplett auf US-amerikanische Musiker. Das ist nicht nur bedeutend billiger und opportun in Zeiten schwindender Gelder. Es entspricht auch der vor bald 25 Jahren von Björn Engholm, dem damaligen Ministerpräsidenten Schleswig-Holsteins, entwickelten Idee einer genuinen „Ars Baltica“. Ob es eine solche Kunst, die im baltischen Raum entsteht und die ihre Kraft aus kulturellen Gemeinsamkeiten und Differenzen der Ostsee-Anrainerländer schöpft, wirklich gibt? Diese Frage taugt in Zeiten allgemeiner diffuser kultureller Konsumfreude ebenso wenig als Diskussionsstoff wie Debatten darüber, ob der Jazz aus Norwegen oder Schweden nun nordisch-fjordisch tiefgründig und ätherisch klingt oder ob es sich bei dieser Zuschreibung um einen klassischen Fall von Projektion handelt.

„Neue, aufregende und kreative Klänge aus dem Ostseeraum und darüber hinaus“ verspricht Nils Landgren. Jazz aus Lettland kommt mit dem Sextett des Schlagzeugers Maris Briezkalns, Litauen entsendet seinen Top-Altsaxofonisten Vytautas Labutis ins JazzBaltica-Ensemble. Kleine Programm-Inseln geben Freunden wie dem Schlagzeuger Wolfgang Haffner Gelegenheit zu mehrschichtiger Präsentation, ob im Trio mit dem italienischen Trompeter Paolo Fresu und dem polnisch-hamburgischen Pianisten Vladyslav Sendecki und einem Streichquartett aus Polen oder im eigenen Quartett. Die hoch gelobte, Soul und Funk mit viel Schmackes interpretierende Samúel Jón Samúelsson Big Band aus Island bestreitet die Dance Night am Freitag. Dass Nils Landgren, ehe er mit seiner Funk Unit am Sonntag das Programm rund macht, bei Samúelsson mit seiner roten Posaune dazustößt, soll nicht als Überpräsenz des künstlerischen Leiters missverstanden werden. Es ist ein Zeichen seiner allseitigen Verbundenheit. JazzBaltica ist jetzt eben ein echtes Familientreffen.

JazzBaltica 28. bis 30.6. Timmendorfer Strand-Niendorf. Infos unter www.jazzbaltica.de