Es sind würdige Herren, die sich vor 150 Jahren in Altona treffen, um über ein großes Projekt zu diskutieren. Wie kann man die Zeugnisse von Geschichte und Kultur, von Brauchtum und Natur so sammeln und bewahren, dass sie der Bildung und Belehrung dienen? Bald ist man sich einig, dass die zweitgrößte Stadt im dänischen Gesamtstaat dringend ein eigenes Museum braucht.

Erst einmal gründet man einen Verein. Vom Frühjahr 1863 an sammeln die Mitglieder dieses privaten Museumsvereins all das, was sie für bewahrenswert halten: geschichtliche Dokumente und Bilder, Präparate heimischer Tiere, Bücher und Modelle, Medaillen und Münzen, Gemälde und Grafiken, Waffen und Trachten, Alltagsgegenstände und Werkzeuge. Erstaunlich, wie viel innerhalb kurzer Zeit auf diese Weise zusammenkommt. Schon am 11. Oktober ist es so weit: Viele Herren mit Zylindern und einige Damen in langen Kleidern treffen sich an der Palmaille 112, um dort das "Öffentliche Museum" zu eröffnen. Besonders repräsentativ ist es nicht, denn die Räume grenzen nicht an die klassizistische Prachtstraße, sondern liegen im Hinterhaus.

Fachkräfte gibt es in Altonas "Öffentlichem Museum" nicht, die Arbeit wird von Ehrenamtlichen erledigt. Als die Preußen nach dem Deutsch-Dänischen Krieg 1866 Holstein besetzen, wird auch Altona preußisch. Der Museumsverein hat während des gesamten Krieges Dokumente und Bilder gesammelt, die immer mehr Platz beanspruchen. Deshalb mietet man jetzt auch größere Räume in dem repräsentativen Vorderhaus an, das der berühmte dänische Architekt C. F. Hansen erbaut hat. Aber auch das ist eigentlich nur ein Provisorium, denn von Anfang an ist klar, dass ein richtiges Museumsgebäude gebraucht wird. Doch erst 1888 kommt wirklich Bewegung die Sache, denn nun übernimmt die Stadt die bis dahin private Institution. Oberbürgermeister Franz Adickes setzt eine Kommission ein, die in zahlreichen Sitzungen eine Art Leitbild formuliert. Aufgabe des Museums soll es in Zukunft vor allem sein, "das Verständnis für die Natur- und Kulturentwicklung der engeren und weitere Heimat zu entwickeln und zu beleben".

Ende der 1880er-Jahre gibt es bereits konkrete Planungen für einen anspruchsvollen Neubau, der eine naturwissenschaftliche und eine kulturwissenschaftliche Abteilung haben soll.

1895 steht auch ein geeignetes Grundstück zur Verfügung, das sich in zentraler Lage an der heutigen Museumstraße erstreckt. Da die Finanzierung durch das Altonaer Unterstützungsinstitut und durch den Verkauf eines geschenkten Grundstücks gesichert ist, kann der Neubau ausgeschrieben werden. 1898 erhalten die Berliner Architekten Heinrich Reinhardt und Georg Süssenguth den Zuschlag. Noch im selben Jahr beginnen am damaligen Kaiserplatz die Arbeiten an dem Gebäude im "Stil der nordischen Renaissance". Mit dem Rathaus und dem neuen Bahnhof bildet das repräsentative Gebäude das neue Zentrum der sich stürmisch entwickelnden Großstadt Altona. Mit Otto Lehmann bekommt das Museum 1899 erstmals einen hauptamtlichen Direktor. Das erweist sich als glückliche Personalentscheidung, denn der Zoologe und Geograf weiß genau, wie ein zukunftsweisendes Museum organisiert sein muss. Statt einer trockenen Systematik geht es ihm um Anschaulichkeit. Ihm schwebt ein Haus vor, in dem sich breite Schichten der Altonaer Bevölkerung über die Natur- und Kulturgeschichte ihrer Heimat informieren können.

Am 16. September 1901 wird der Neubau mit dem neuen Namen Altonaer Museum der Öffentlichkeit übergeben. Diese ist außerordentlich angetan, denn das Gebäude ist ebenso modern wie das Vermittlungskonzept. Die Zeitungen berichten begeistert über das neue Museum, das auch von der Fachpresse in den höchsten Tönen gelobt wird. "Unser Museum bringt ausschließlich Gegenstände der Heimat zur Anschauung. Insbesondere hat es sich die Aufgabe gestellt, die kulturgeschichtliche Entwicklung unserer Heimatprovinz Schleswig-Holstein zu zeigen", sagt Lehman in seiner Eröffnungsrede.

Nicht nur Altonaer Stadtgeschichte, sondern Natur- und Kultur Schleswig-Holsteins sind Thema des Museums, das Lehmann von Anfang an interdisziplinär und didaktisch ausrichtet.

Während andere Häuser entweder Volkskunde oder Naturkunde sammeln und ausstellen, sind diese Bereiche in Altona vereinigt. Und Lehmann verzichtet auf eine trockene wissenschaftliche Präsentation, setzt vielmehr auf lebendige Vermittlung. Vollkommen neu sind seine "Lebensbilder", bei denen es sich um Gruppen von präparierten Tieren in ihrer natürlichen Umgebung handelt. Otto Lehmann will das Museum zu einer "Volksbildungsstätte" entwickeln. Deshalb richtet er eine öffentliche Museumsbibliothek sowie einen Hörsaal ein. Nicht alle seiner Pläne kann Otto Lehmann realisieren, aber sein innovatives Konzept wird damals von vielen Häusern in Deutschland und in Skandinavien übernommen. Und wenn sich das Altonaer Museum 150 Jahre nach seiner Gründung gerade wieder einmal neu erfindet, erweisen sich die wegweisenden Ideen seines wichtigsten Direktors erneut als ebenso anregend wie aktuell.