Die Life Sciences haben in Hamburg eine lange Tradition. Auch in Zukunft wollen die Forschungseinrichtungen und Unternehmen der Stadt wichtige Impulse verleihen

Life Sciences - was oberflächlich nach Lifestyle klingt, meint das genaue Gegenteil. Bei den Bio- oder Lebenswissenschaften geht es um das Wertvollste im Leben: unsere Gesundheit. Mit deren Erhaltung beschäftigen sich interdisziplinäre Forschungsrichtungen und Ausbildungsgänge sowie eine biomedizinisch ausgerichtete Industrie.

Für Deutschlands Norden arbeiten die Life Sciences als kraftvoller Wirtschaftsmotor. "Rund 500 Firmen mit mehr als 20.000 Beschäftigten engagieren sich in Hamburg und Schleswig-Holstein in dieser Branche. In enger Kooperation und verschiedenen Projekten vernetzen sich die Bereiche Medizin, Medizintechnik, Biotechnologie und Pharmazie zu einem international wettbewerbsfähigen Life Science-Cluster", sagt Dr. Hinrich Habeck, Geschäftsführer der länderübergreifenden Clustermanagement-Agentur Norgenta, die vielfältige Life Science Aktivitäten unter der Dachmarke Life Science Nord bündelt. Auch das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) betrachtet die Hightech-Branche als Treiber für die Erschließung neuer Märkte im Ausland.

Hamburg ist die Heimat weltweit anerkannter Unternehmen der Medizintechnik. So hat sich Philips mit seinem zentralen Forschungs-, Produktions- und Vertriebsstandort der Sparte Healthcare in Fuhlsbüttel etabliert, wo es bereits 1927 die Firma Röntgenmüller übernahm. Bis heute zählen hier bildgebende Systeme, Apparate zur Patientenüberwachung sowie Notfallgeräte zu den inhaltlichen Schwerpunkten des Unternehmens. Im Bereich der Großgeräte für Medizintechnik zählt Philips zum Trio der Weltmarktführer. Mit der Olympus Europe Holding hat ein weiterer Global Player seinen Sitz in der Hansestadt. Auf dem Sektor der Medizintechnik ist er auf Endoskope für Diagnose und Therapie sowie Mikroskopiesysteme spezialisiert.

Bei kleinen Wehwehchen kommen auf allen Kontinenten die Produkte der Beiersdorf AG zum Einsatz. Den ersten Wundschnellverband der Welt meldete der Apotheker Paul Carl Beiersdorf schon 1882 zum Patent an. Einen großen Teil ihrer Forschungsarbeit betreibt die Beiersdorf AG am Stammsitz in Hamburg, wo 2004 das internationale Zentrum für Forschung und Entwicklung in Betrieb genommen wurde. Mit seinen 450 Wissenschaftlern und einem jährlichen Budget von rund 150 Millionen Euro gilt es als eines der bedeutendsten Hautforschungszentren weltweit.

Auch die Revolutionierung der Klinikhygiene hat ihren Ausgangspunkt in Hamburg: Mit dem Händedesinfektionsmittel Sterillium entwickelte die Bode Chemie GmbH in Stellingen ein Hochleistungsprodukt, das seinen Siegeszug 1965 antrat. Als einer der führenden Hersteller in Europa produziert das Unternehmen heute mehr als 400 Produkte zur Desinfektion, Reinigung, Pflege und Hautantiseptik.

Um auch weiterhin wissenschaftlich gesicherte und innovative Problemlösungen anzubieten, gründete das Unternehmen vor zwei Jahren das Bode Science Center, ein Kompetenzzentrum, das Wissenschaft und Praxis im Infektionsschutz zusammenführt. "Wie in 2012 erwarten wir auch in 2013 ein deutliches Umsatzwachstum", sagt Bode-Geschäftsführer Dr. Roland Knieler. "Als Hersteller von Desinfektionsmitteln profitieren wir von einem weltweit steigenden Hygienebewusstsein in Gesundheitseinrichtungen. Wir stehen zum Standort Hamburg und werden weiter kräftig investieren."

Ob in akademischen oder industriellen Forschungslaboren - Wissenschaftler und Laboranten in aller Welt arbeiten und forschen mit Gerätschaften aus der Hamburger Eppendorf AG. Mit der Entwicklung und Produktion von Pipetten, Zentrifugen und Reaktionsgefäßen erzielte das Unternehmen 2012 erstmals einen Umsatz von mehr als 500 Millionen Euro. Eine kontinuierliche Weiterentwicklung des Produktportfolios soll auch während des laufenden Geschäftsjahres im Mittelpunkt der Aktivitäten stehen.

Ein wichtiger Faktor für den Erfolg der Branche ist die Forschungsinfrastruktur der Stadt, die mit dem Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), dem Heinrich-Pette-Institut für Experimentelle Virologie und Immunologie oder dem Institut für Hormon- und Fortpflanzungsforschung zum großen Teil an der Universität Hamburg angesiedelt sind. Das Deutsche Elektronen-Synchrotron Desy in der Helmholtz-Gemeinschaft liefert mit seiner Arbeit Beiträge zur Strukturaufklärung von Biomolekülen und schafft damit Grundlagen für neue Therapieentwicklungen. Und das traditionelle Bernhard Nocht-Institut für Tropenmedizin genießt als Nationales Referenzzentrum für tropische Erreger Weltruf.

Ihren Studierenden bietet die Universität Hamburg das interdisziplinär ausgerichtete Studienfach "Molecular Life Science"; an der Fakultät Life Sciences der HAW studieren künftige Experten für Biotechnologie, Gesundheitswissenschaften sowie Medizintechnik und an der TU in Harburg werden unter anderem Bioverfahrenstechniker ausgebildet. "Trotz der Breite der Lehre und zum Teil auch akademischen Forschung zählt Hamburg im internationalen Maßstab nicht als Life Science-Hotspot", beklagt Dr. Dirk Ehlers, Vorstandsvorsitzender der Eppendorf AG. "Erst eine weitere Stärkung von Profil und Visibilität der Hochschullandschaft, zusammen mit der Ausweisung von Flächen für Ansiedlungen und Cluster-Bildung könnte es Hamburg ermöglichen, noch mehr Wachstumsimpulse aus dieser auch global wachsenden Branche zu beziehen."