Was die Umwelt entlastet, wirkt gleichzeitig als spürbarer Aufwind für die Wirtschaft. Hamburg etabliert sich als wichtigstes Zentrum dieser prosperierenden Branche

Die Energiewende ist beschlossene Sache. Im vergangenen Jahr deckten erneuerbare Energien erstmals mehr als ein Viertel des deutschen Strombedarfs, bis 2020 verlangt das Gesetz eine Steigerung auf 35 Prozent. Ein beträchtlicher Teil dieser Energie stammt aus dem Wind - und der ist bekanntlich im Norden zu Hause.

Innerhalb der letzten zwei Jahrzehnte hat sich die Metropolregion Hamburg mit ihrer attraktiven Lage zwischen Nord- und Ostsee zu einem Zentrum der Windindustrie entwickelt; insbesondere die Hansestadt profitiert von der Dynamik dieser innovativen Branche. "Hamburg hat sich als weltweit führender Standort von Windenergie-Unternehmen mittlerweile fest etabliert", sagt Jan Rispens, Geschäftsführer der Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur Hamburg. "Eine bemerkenswerte Sogwirkung entfaltet die Entwicklung der Offshore-Windenergie in Deutschland, die dafür sorgt, dass viele Unternehmen mit Management-, Vertriebs- und Produktentwicklungsebene nach Hamburg ziehen." Rund 800 Betriebe bieten hier insgesamt 14.500 Beschäftigten einen Arbeitsplatz im Segment Erneuerbare Energien.

Nahezu alle international relevanten Unternehmen der Windbranche sind an der Elbe aktiv. Die Siemens Division Wind Power zählt zu den führenden Herstellern von Windenergieanlagen für Onshore-, Offshore und küstennahe Standorte; seit 2011 steuert der Münchner Konzern sein weltweites Windgeschäft nun aus der Hamburger Zentrale heraus. Das US-amerikanische Unternehmen General Electric eröffnete für seine Wind-Energy-Sparte in der HafenCity ein Offshore-Technologiezentrum mit 60 Mitarbeitern, hier werden schwerpunktmäßig Produktentwicklung und Forschung betrieben. Und der Global Player Repower Systems, ebenfalls einer der führenden Systemanbieter für Windkraftanlagen, agiert von der Unternehmenszentrale in der City Nord aus.

Zu den Pionieren der Nutzung alternativer Energien gehören die dänischen Windkraftanlagenbauer von Vestas. In Hamburg betreiben die Skandinavier eine wachsende Vertriebsniederlassung. Der ebenfalls aus Dänemark stammende Energieversorger Dong Energy hat sich in den Altonaer Docklands niedergelassen; mit dem französischen Energiekonzern Areva und dem spanischen Windpark-Entwickler Gamesa zogen auch südeuropäische Unternehmen in die norddeutsche Wind-Metropole.

Der baden-württembergische Energie-Konzern EnBW realisiert von seinem Hamburger Offshore-Büro aus Deutschlands erste kommerzielle Windparks in der Ostsee; die RWE-Tochtergesellschaft Innogy gründete eine Niederlassung in der Hansestadt und konzipiert hier Offshore-Anlagen für ganz Deutschland, die Niederlande und Großbritannien. Als international tätige Klassifikations- und Zertifizierungsgesellschaft auch für Windenergieanlagen hat der Germanische Lloyd seine Konzernzentrale in Hamburg. Und auch der TÜV Süd hat sich bereits vor zwei Jahren in Hamburg angesiedelt, um von hier aus die Prüfung und Zertifizierung von neuen Offshore-Strukturen vorzunehmen.

Als Standort zur Stromerzeugung aus Windenergie kann Hamburg mit den bundesdeutschen Flächenländern zwar nicht konkurrieren, trotzdem liefern rund 60 Windkraftanlagen auf dem Gebiet des Stadtstaates mehr als 80 Gigawattstunden jährlich; eine Menge, die ausreicht, um den Strombedarf von rund 30.000 Haushalten zu decken.

Durch Repowering, also den Ersatz veralteter Windräder durch effizientere Turbinen auf höheren Masten, könnte die aus dem Wind geerntete Energie bei gleichbleibender Zahl von Anlagen verdoppelt werden. Gerade hat der städtische Versorger Hamburg Energie das erste Repowering der Hansestadt durchgeführt und auf dem Energieberg in Georgswerder mehrere ältere Türme durch ein 150 Meter hohes Windrad ersetzt, das nun Jahr für Jahr eine Leistung von knapp 8 GWh liefern wird. Einen neuartigen Wind-zu-Wärme-Speicher baut der Versorger Vattenfall derzeit am Heizkraftwerk Tiefstack. Dort soll überschüssiger Strom aus Windparks in Spitzenzeiten zur Erhitzung von Wasser genutzt und so in die Fernwärmeversorgung eingespeist werden.

"Hamburg ist als Industriestandort mit eigenem hohen Verbrauch auch selber daran interessiert, Strom sicher, zu wettbewerbsfähigen Preisen, umwelt- und klimaverträglich zu beziehen", betonte Bürgermeister Olaf Scholz bei der Eröffnung der diesjährigen Hamburger Offshore Wind Konferenz. "Dieses traditionelle Zieldreieck gilt mehr denn je vor dem Hintergrund der Stromkostensteigerungen, die bis zu einem gewissen Grad unvermeidlich aus der Energiewende folgen."

Zur Bedeutung Hamburgs als Zentrum der Windenergie trägt auch die Bildungslandschaft am Hochschulstandort Hamburg maßgeblich bei. Und das Angebot an fachbezogenen Studiengängen wird stetig erweitert. Um das ökonomische Potenzial der Erneuerbaren Energien künftig noch besser zu nutzen, errichtet die Hochschule für angewandte Wissenschaften im Stadtteil Bergedorf den Energie-Campus Hamburg. Das mithilfe von EU-Mitteln geförderte Forschungs- und Ausbildungslabor für Windenergie und intelligente Stromnetze mit angegliedertem Windpark soll künftig hochqualifizierte Fachkräfte hervorbringen und den Technologietransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft stärken.

"Mit dem Energie-Campus wollen wir ein 'Silicon Valley' der Erneuerbaren Energien in Hamburg schaffen", so der Leiter des Projekts Prof. Dr. Werner Beba. "Das Technologiezentrum Hamburg soll die Keimzelle eines wachsenden Energie-Campus bilden, an dem sich Unternehmen und weitere Forschungseinrichtungen ansiedeln sollen. Die Faszination der Themen, aber auch der Handlungsdruck auf Lösungen für die Energiewende sind der Nährboden für ein kreatives Klima, in dem Innovationen geschaffen werden."

Hemmnisse wie komplizierte Genehmigungsverfahren, wechselhafte Förderpolitik, Finanzierungsengpässe und die Einspeiseproblematik fordern die Windwirtschaft heute heraus und führen insbesondere im Offshore-Bau zu Verzögerungen. Trotzdem erwartet die Branche einer von der "Erneuerbare Energien Hamburg Clusteragentur" in Auftrag gegebenen Studie zufolge auch in den kommenden Jahren ein dynamisches Wachstum von Beschäftigungs- und Umsatzzahlen. Denn die Kraft des Windes bleibt das Rückgrat der Energiewende.