Für Unternehmen kann die Energiewende zur Existenzbedrohung werden

Für die Hamburger Industrie ist die Energiewende Chance und Bedrohung zugleich. Die energieintensiven Unternehmen benötigen nicht nur Versorgungssicherheit bei der Stromlieferung, sie brauchen auch einen Strompreis, mit dem sie international wettbewerbsfähig bleiben. "Es ist eine Besonderheit der Hamburger Wirtschaft, dass sie eine sehr starke Grundstoffindustrie hat", sagt Michael Bräuninger vom Hamburgischen WeltWirtschaftsinstitut (HWWI). Dazu gehören das Mittal-Stahlwerk, das Trimet-Aluminiumwerk und der Kupferproduzent Aurubis.

Alle Unternehmen sind Energiegroßverbraucher und beschäftigen rund 3000 Mitarbeiter in Hamburg. So benötigt alleine Aurubis in Hamburg zwischen 600 und 650 Millionen Kilowattstunden Strom pro Jahr. Größter Verbraucher in der Hansestadt ist das Aluminiumwerk. Denn die Herstellung des weltweit am meisten verbreiteten Metalls ist sehr energieintensiv. Durch die armdicken Leitungen des Werkes fließen jährlich zwei Milliarden Kilowattstunden Strom. Das ist so viel Energie wie eine Stadt wie Lübeck mit mehr als 200.000 Einwohnern verbraucht.

Doch steigende Strompreise ärgern nicht nur Haushalte, für manche Unternehmen sind sie existenzbedrohend. Schon ein Cent mehr pro Kilowattstunde würde für Trimet zusätzliche Ausgaben von 50 Millionen Euro bedeuten. Das entspricht dem Gewinn der Unternehmensgruppe in guten Jahren.

Deshalb gibt es für die Industrie Ausnahmen und Erleichterungen. So zahlen Unternehmen wie das Aluminiumwerk oder Aurubis nur einen Bruchteil der Kosten, die durch die höheren und garantierten Abnahmepreise für Ökostrom entstehen. Diese werden durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) auf die Stromkunden umgelegt. Die großen Stromverbraucher können sich außerdem vom Netzentgelt befreien lassen. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichtes Düsseldorf ist dies allerdings nicht zulässig. In Hamburg sind zehn Großunternehmen betroffen, die bisher um 33 Millionen Euro entlastet wurden.

Da im Zuge der stark gestiegenen Strompreise für die Bevölkerung auch über die Verteilung der EEG-Umlage diskutiert wird, fürchtet Hamburgs Industrie nun zusätzliche Belastungen: "Wir können die Zusatzkosten nicht einfach an die Kunden weitergeben, weil der Kupferpreis weltweit an der Börse festgelegt wird", sagt Aurubis-Chef Peter Willbrandt. "Die Politik muss dafür sorgen, dass die Rahmenbedingungen für die Industrie international wettbewerbsfähig bleibt." Ohne die Erleichterungen stünde das Aluminiumwerk vor dem Aus.

Bundesumweltminister Peter Altmaier hatte vorgeschlagen, die stromintensive Industrie stärker zu belasten, um insgesamt die EEG-bedingten Stromkosten zu begrenzen. So sollen die Ausnahmeregelungen für energieintensive Unternehmen um bis zu 500 Millionen Euro reduziert werden. "Für stromintensive Unternehmen bedeutet dieser Vorschlag mindestens eine Verzehnfachung der EEG-bedingten Stromkosten. Am Hamburger Standort würde diese zusätzliche Abgabenbelastung für einzelne Betriebe zehn Millionen Euro und mehr pro Jahr bedeuten", sagt Michael Westhagemann, Vorstandsvorsitzender des Industrieverbandes Hamburg.

Unterstützung kommt auch von der Politik. Bei einer Verdoppelung der Abgabe kämen allein auf das Stahlwerk zusätzliche Kosten von 400.000 Euro im Jahr zu. "Hamburg wird sich im Bundesrat dafür einsetzen, dass es für diese Firmen bei der EEG-Abgabe von 0,05 Cent pro Kilowattstunde bleibt", sagt Wirtschaftssenator Frank Horch. Und Ulrich Brehmer von der Handelskammer ergänzt: "Das EEG gibt es nur in Deutschland."

Tatsächlich heizen zum Beispiel die USA den Standortwettbewerb mächtig an. Und nicht nur dort werden derzeit enorme zusätzliche Ressourcen von Erdöl und Erdgas erschlossen. "Wenn die energieintensiven Standorte in Hamburg aufgeben müssten, gehen damit auch die weltweit höchsten Umwelt- und Energieeffizienzstandards verloren", warnt Brehmer.

Gleichzeitig ergeben sich mit der Energiewende aber auch neue Chancen. So rechnet Trimet-Vorstandschef Martin Iffert für den Bedarf bis 2020 mit zusätzlich einer Million Tonnen an Aluminium. In Zusammenarbeit mit internationalen Forschungsinstituten entwickelt Trimet derzeit ein Verfahren, das den Energiebedarf des Produktionsprozesses an eine schwankende Stromversorgung anpasst. Die Aluminiumhütte wird dabei zu einer virtuellen Batterie, die fluktuierende Strommengen aus erneuerbaren Energiequellen aufnimmt. "Damit ermöglichen wir die Integration von Energie aus Wind und Sonne in industrielle Produktionsprozesse", sagt Iffert. Außerdem haben sich in Hamburg viele Unternehmen der Windenergieindustrie angesiedelt (s. S. 10).