In der Industrie sind Frauen in Männerberufen noch in der Minderzahl. Das soll sich ändern - mit dem Girls' Day und anderen Programmen

Bauschlosserin, Hufschmiedin oder zur See fahren - schon als Jugendliche reizten Babette Leist eher die Berufe für Männer. Die Entscheidung fiel schließlich für eine Ausbildung zur Dreherin bei Blohm + Voss. "Ich wollte immer handwerklich arbeiten und zupacken", sagt die 46-Jährige.

Einfach hatte sie es nicht, als sie vor gut 30 Jahren ihren Dienst an der Drehbank antrat. "Es gab viele Vorurteile, und ich musste mich immer wieder durchsetzen", sagt Leist. Um es allen zu beweisen, arbeitete sie anfangs schneller und mehr als andere. Ans Aufgeben dachte sie dabei nie: "Es war ja auch eine Herausforderung, in einem Männerjob zu bestehen." Heute programmiert sie in der Abdichtungsfertigung bei Blohm + Voss Industries täglich die Maschinen für Bohr- und Fräsarbeiten der Werkstücke, optimiert Programme und Bearbeitungszeiten. Nach ihrer Lehre belegte sie einen Kurs für das Schreiben der Programme, von ihren Kollegen kennen sich wenige damit aus.

Der Anteil der Frauen an allen Erwerbstätigen ist zwar über die Jahre stetig gestiegen. Aber schon in männertypischen Industrien wie Schiffstechnik, Fahrzeugbau oder Stahlproduktion machen sie sich weiter rar. So stellen die weiblichen Beschäftigten an der Belegschaft bei Blohm + Voss Industries nur rund 16 Prozent, beim Gabelstaplerhersteller Still 13 Prozent und im Stahlwerk ArcelorMittal gut sechs Prozent. Und meist sitzen sie auch hier im kaufmännischen Bereich.

In der Fertigung oder Maschinenkonstruktion hingegen wirkt nur eine Hand voll von ihnen. Eine davon bei ArcelorMittal ist Ewelina Bradtke. Nach ihrem Studium zur Wirtschaftsingenieurin fing sie vor zwei Jahren im Stahlwerk an und verantwortet heute als Leiterin Platzbetrieb die Disposition von Feuerfestmaterialien, Legierungs- und Zusatzstoffen. "Ich bin hier eigentlich nur durch meine Diplomarbeit reingerutscht", sagt sie - und ist heute froh darüber. Schon weil der hochkomplexe Prozess der Stahlproduktion sie immer wieder aufs Neue fasziniert.

Das Ziel, die Prozesse in ihrem Bereich weitgehend zu automatisieren, verfolgt die 37-Jährige konsequent. Vorher arbeitete die Gruppe hauptsächlich händisch mit Listen. Ihr Vorgänger tat sich schwer zur Steigerung der Effizienz, Computer und Scannersysteme intensiver einzusetzen - das ändert sich jetzt. Auch die Teamarbeit treibt Bradtke voran: "Der Informationsfluss muss funktionieren, ich bin oft im Büro und nicht immer Stahlwerk." Inzwischen treffen sich die Betriebsleiter einmal wöchentlich zu einer Besprechung, das wurde zum Teil auch auf Bradtkes Betreiben eingeführt.

Wegen solcher Erfahrungen ist es Heidi Warnecke, Leiterin Aus- und Weiterbildung bei ArcelorMittal, längst ein Anliegen, mehr Frauen für klassische Männerjobs zu interessieren: "Wir brauchen eine gesunde Mischung." Um die zu erreichen, versucht man vielerorts dem allgemeinen Trend mit Veranstaltungen wie dem Girls' Day gegenzusteuern, wobei Schülerinnen, einen Einblick in untypische Berufe erhalten, um ihre Begeisterung dafür anzufachen. "Wir nehmen seit Anfang an am Girls' Day teil", sagt Stephan Bütje, Personalleiter bei Blohm + Voss Industries. Auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei inzwischen ein Thema im Unternehmen. Externe Dienstleister beraten kostenlos zu familiären Fragen, der Wiedereinstieg nach der Elternzeit soll erleichtert werden.

Beim Gabelstaplerhersteller Still hat man inzwischen das Prozedere im Assessment Center analysiert: Trotz steigender Zahl von Bewerbungen junger Ingenieurinnen mit oft besseren Abschlüssen erhielten am Ende meist doch die männlichen Konkurrenten den Zuschlag. Nach einer Überprüfung des Auswahlverfahrens wird jetzt das Machtmotiv, dem Frauen wenig Beachtung schenken, in den Tests ausgeblendet. Insbesondere für den technischen Bereich wünscht sich Still-Personaler Jörg Milla mehr weibliche Bewerberinnen. Nicht nur in puncto Kommunikationsfähigkeit mache man gute Erfahrungen. Frauen können gut Probleme lösen, bringen meist überdurchschnittliche Leistung - und stehen ihren männlichen Kollegen auch sonst in nichts nach. "Die Arbeitswelt hat sich verändert", sagt Milla. Muskelkraft zählt in typischen Männerberufen kaum noch.

Das zeigt sich auch in der Abdichtungsfertigung bei Blohm + Voss. Die wuchtigen Gehäuseringe, die Babette Leist in die Fräsmaschinen spannt, haben teilweise einen Durchmesser von 1,25 Metern. Ab einem Gewicht von 25 Kilo setzt sie jedoch einen Hebekran ein - das schreibt der Arbeitsschutz auch für die männlichen Kollegen vor. Ihre Hauptaufgabe liegt ohnehin in der Steuerung und Überwachung der computergesteuerten CNC-Prozesse. "Fräsen ist Präzisionsarbeit, da geht es um hundertstel Millimeter", sagt Leist. Auch nach 30 Jahren macht sie ihren Job gern. "Die Arbeit ist sehr abwechslungsreich, wir fertigen alle Werkstücke individuell nach Bedarf der Kunden."