Die Industrie spürt den demografischen Wandel und setzt nun auch auf Ältere

Sortierten viele Firmen Mitarbeiter früher gerne ab 50 aus, werden sie heute gehegt und umworben: "Für ältere Arbeitnehmer erleben wir zurzeit ein kleines Beschäftigungswunder", sagt Knuth Böhrnsen, Pressesprecher der Hamburger Arbeitsagentur. Im Jahr 2012 waren rund 211.000 Menschen der Generation 50Plus in Lohn und Arbeit - insgesamt 30.000 mehr als noch vier Jahre zuvor. Und der Trend zeigt weiter nach oben. "Ältere Fachkräfte mit qualifizierter Ausbildung werden auch von der Industrie verstärkt gesucht", sagt Böhrnsen. Viele Unternehmen würden inzwischen bereits die demografische Entwicklung spüren, Personal wird knapper. Laut einer Prognos-Studie droht Deutschland im Jahr 2030 eine Arbeitskräftelücke von 5,5 Millionen.

Insbesondere bei technischen Berufen herrscht Mangel. "Techniker, Ingenieure und IT-Experten - in diesen Berufen sind die Arbeitnehmer über 50 Jahre vergleichsweise stark gefragt", sagt Böhrnsen. "Die meisten Firmen möchten heute das Know-how altgedienter Mitarbeiter möglichst lange nutzen", sagt Axel Dreckschmidt, Vorsitzender des Hamburger Bezirksvereins des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Die Welle der Frühverrentung, begünstigt durch Zuschüsse öffentlicher Kassen, sei eindeutig ein Fehler gewesen. Schließlich seien Erfahrungswissen und Menschenkenntnis der Älteren hoch, sie reagieren in schwierigen Situationen gelassener und haben ein großes Qualitätsbewusstsein. Die Wertschätzung für die alten Hasen zeigt sich auch in speziellen Weiterbildungsprogrammen einiger großer Unternehmen.

Beim Elektronikkonzern Philips zum Beispiel gibt es nicht nur für Techniker und Ingenieure mit dem "Development Center für erfahrene Mitarbeiter" solch ein Angebot für Angestellte ab 45 Jahre. Nach einem Stärken-Schwächen-Profil wird ein individueller Entwicklungsplan für die Zukunft erstellt. "Auch durch die Verlängerung der Lebensarbeitszeit bis 67 ist es sinnvoll, weiter nach Potenzialen und Karrieremöglichkeiten zu suchen", sagt Dr. Thomas Piehler, Arbeitsdirektor Philips Deutschland. Sich nur auf die Jungen zu verlassen, kann sich heute kein Unternehmen mehr leisten. Auch andere Konzerne wie Unilever investieren in lebenslanges Lernen sowie in altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung und Gesundheitsprogramme. "Das Anwerben älterer Arbeitnehmer ist ebenfalls längst kein Tabu mehr", beobachtet Böhrnsen. Aktionen wie "Senioren gesucht" seien keine Einzelfälle. Immer mehr Firmen würden auf Messen und in Stellenanzeigen gezielt nach erfahrenen Kräften Ausschau halten.