Breit aufgestellt und bestens vernetzt: Seit 50 Jahren ist der Industrieverband Hamburg Sprachrohr des produzierenden Gewerbes in der Hansestadt - und findet auch Gehör

Im Hamburger Rathaus kennen sich die Top-Manager aus der Industrie bestens aus. Zuletzt versammelten sich dort Ende März Verantwortliche von 15 bedeutenden Unternehmen mit Produktionsstätten in der Hansestadt und unterzeichneten eine freiwillige Selbstverpflichtung zur Senkung der jährlichen CO2-Emissionen. Zusätzlich 150.000 Tonnen des Klimagases sollen ab 2018 pro Jahr eingespart werden - seit Beginn des Umweltpakts mit der Stadt vor sechs Jahren wären es dann insgesamt 950.000 Tonnen CO2 jährlich. "Wir sind entschlossen, die Klimaziele des Senats nachhaltig zu unterstützen", sagt Michael Westhagemann, Vorsitzender des Industrieverbands Hamburg. Beim IVH weiß man: Nur mit praktiziertem und nachhaltigem Umweltschutz sind die industriepolitischen Interessen des produzierenden Gewerbes langfristig durchzusetzen.

Das Zusammenspiel zwischen Politik und Industrie in Hamburg ist intakt - nicht nur, weil Wirtschaftssenator Frank Horch selbst zwei Jahre IVH-Vorstandsvorsitzender war. Auch der regelmäßige Personalaustausch zwischen Wirtschaft und Verwaltung sorgt für gutes Klima. "Seit 13 Jahren werden im Rahmen dieser Initiative wechselseitige Kurz-Hospitationen zwischen jeweils fünf Amtsleitern der Hamburger Verwaltung und Führungskräften aus unseren Mitgliedsunternehmen vereinbart", sagt IVH-Sprecher Mario Spitzmüller. "Das schafft Akzeptanz und Verständnis auf beiden Seiten."

Die Unternehmen stehen für Wachstum und schaffen Arbeitsplätze in der Region. Die durchaus wirtschaftsfreundliche Regierung der Hansestadt schafft dabei das notwendige Umfeld. "Wir sind insgesamt sehr zufrieden mit der Arbeit des Senats. Es gibt wenig Reibungspunkte", sagt IVH-Chef Westhagemann im Gespräch mit dem Hamburger Abendblatt (siehe S. 2). Und so dürfte die nächste Zusammenkunft der Protagonisten von besonderer Harmonie geprägt sein. Am kommenden Donnerstag feiert der IVH sein 50jähriges Bestehen - natürlich im Rathaus: Der Senat der Freien und Hansestadt bittet zum Empfang.

Sprachrohr für Hamburgs Industrieunternehmen und ein kurzer Draht zu den politischen Entscheidungsträgern: Am 25. April 1963 gründeten die damalige Harburger Phoenix Gummiwerke AG als Vertreter der Kautschukindustrie und zwölf weitere Fachverbände den IVH als juristisch eigenständige Landesvertretung des Bundesverbandes der Deutschen Industrie. Als bloße Sektion des Bundesverbandes BDI mangelte es dem produzierenden Gewerbe an politischer Durchschlagskraft. Ein knappes Jahr zuvor hatte sich deshalb die Mitgliederversammlung für die Eigenständigkeit entschieden, "um sich verstärkt Aufgaben zuzuwenden, die von allgemeinem Interesse für die Hamburger Industrie sind", meldete das Abendblatt bereits im Juni 1962.

Die Erfolgsbilanz der vergangenen 50 Jahre kann sich sehen lassen. "Inzwischen sind 230 Unternehmen und Verbände im IVH organisiert. Und wir wachsen durchschnittlich jedes Jahr um sechs Mitglieder", sagt Spitzmüller. Drei von vier Industrieunternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern seien Mitglied im IVH. Besonders stolz aber ist man beim IVH auf die sehr diverse Mitgliederstruktur: "Wir sind seit langer Zeit kein Verbändeverband mehr, sondern eine industriepolitische Interessenvertretung mit einer freiwilligen Unternehmensmitgliedschaft", erklärt Spitzmüller. "In Deutschland ist diese Struktur einzigartig." Der Vorteil: Innerhalb des Verbands können alle Themen und unterschiedliche Interessenslagen unmittelbar zwischen den Unternehmen diskutiert und zu einer gemeinsamen Position gebracht werden.

Das allerdings gelang nicht immer. Mitte 2005 eskalierte in Hamburg der sogenannte Stromstreit. Der Chef der damaligen Kupferhütte Norddeutsche Affinerie, Werner Marnette, hatte zuvor eine Schlammschlacht mit Vattenfall, RWE, EnBW und E.on eröffnet und den Energiekonzernen Preisabsprachen und Marktmanipulationen vorgeworfen. Der hartleibige Manager war zu diesem Zeitpunkt auch Vorsitzender des IVH - und ging keinem Konflikt aus dem Weg.

Der Rücktritt des streitbaren Marnette von diesem Amt war Anfang 2006 fällig, nachdem er erst den Rausschmiss des IVH-Hauptgeschäftsführer Jürgen Thies durchgesetzt hatte, anschließend den Bogen überspannte und auch seinen IVH-Stellvertreter Ulrich Möllers von Bode Chemie absetzen lassen wollte. Beide, so Marnette, hätten seinen Integrationskurs mit dem Unternehmerverband Nord hintertrieben. Doch das Kapitel Marnette ist abgeschlossen - und der IVH schreibt weiter als eigenständiger Unternehmerverband an seiner Erfolgsgeschichte. Die freiwillige Selbstverpflichtung zum CO2-Sparen war nur ein weiterer Meilenstein in der Agenda der Verbandsarbeit. Mit der Erneuerung der UmweltPartnerschaft am 30. April setzt sich der IVH gemeinsam mit der Stadtentwicklungsbehörde, der Handelskammer, der Handwerkskammer und dem Unternehmensverband Hafen Hamburg für kooperativen Umweltschutz ein. Auch die Fortschreibung des Masterplans Industrie steht unmittelbar bevor: Der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur, die Vergabe von Gewerbeflächen und die öffentliche Akzeptanz stehen im Mittelpunkt der Leitlinien, die Politik und Industrie gemeinsam erarbeiten.