Nach einem Beinbruch ist Simon Rollifahrer auf Zeit und macht interessante Erfahrungen. Die Menschen zeigen viel Mitleid und Mitgefühl. Es ist für ihn amüsant zu sehen, wie einzelne Personen auf ihn reagieren.

Ich bin 14 Jahre alt und begeisterter Sportler. Bewegung ist mir wichtig und füllt meine Freizeit fast vollständig aus. Anfang November bricht mir ein Gegner beim Fußball das linke Bein, aber ich zweifle keine Sekunde daran, dass ich wieder spielen kann. Als ich da so auf dem schmutzigen und körnigen Grandplatz liege, ist mein erster Gedanke: "Verdammt! Ich muss zu Hause noch Geschichte lernen!" Meiner Mutter hätte dieser Gedanke ganz bestimmt gefallen. Schule ist schließlich wichtig. Stunden später wache ich im Krankenhaus auf.

Das Erste, was ich erblicke, ist ein Rolli neben meinem Bett. Ich ahne nur, was das bedeutet. Ich muss sagen, selber Rollstuhl zu fahren hat anfangs sogar Spaß gemacht, und meine Freunde waren begeistert, mal eine Runde mit mir zu drehen.

Doch im Winter, wenn die Temperaturen fallen, so wie ich auf dem Platz gefallen bin, werden die Stangen des Rollstuhls eiskalt und sind mit kleinen Eiskristallen übersät. Dann ist es ein richtiger Kampf, alleine zu fahren.

Die Menschen zeigen viel Mitleid und Mitgefühl. Ich weiß, alle Besserungswünsche und alle Aufmunterungen sind gut gemeint, aber bei einer Aussage komme ich immer ins Räuspern und ins Stirnrunzeln.

Die wird immer zäher und immer schwerer anzuhören: "Das wird schon." Ich bin mir bewusst, dass dieser Unterschenkelbeinbruch heilen wird. Das haben mir natürlich auch die Ärzte im Krankenhaus gesagt. Während ich nett und ironisch lächelnd diese guten Wünsche annehme, weiß ich doch auch, dass diese Verletzung schon wird. Das ist mir klar, aber was mich wurmt, ist das Warten und zu erkennen, was ich alles nicht machen kann und wie eingeschränkt ich bin.

Es ist amüsant zu sehen, wie einzelne Personen auf mich im Rollstuhl reagieren. Auf den Gängen drehen sich die Leute um, und ich sehe mitfühlende Blicke. Aber häufig sehe ich auch ein Grinsen, wenn Leute Sachen sagen, wie zum Beispiel: "Mal gucken, was passiert, wenn wir ihn hier stehen lassen und anschließen." Oder: "Lasst ihn da stehen, er läuft schon nicht weg." Diese Sprüche sind am Anfang noch ganz witzig, doch nach und nach wiederholen sie sich und werden so abgestumpft wie der Witz des Tages im Hamburger Abendblatt - meistens nicht der Knaller, aber man lacht aus Höflichkeit. Ab und zu ist dann mal ein Kracher dabei.

So ist es für mich ein Knaller, zu sehen, wie alles anstrengender wird. Ich fühle mich plötzlich wie ein 70 Jahre alter Mann. Wenn ich die Treppe auf meinen Krücken hochhüpfe, muss ich mich, oben angekommen, erst einmal ein paar Minuten hinsetzen oder hinlegen. Dann atme ich schwer, um mich wieder zu erholen.

Das liegt natürlich vor allem daran, dass ich mir einen schönen Aufenthalt im Krankenhaus gemacht und nur rumgelegen habe, die geschenkte Mitleidsschokolade in mich hineingestopft und viel zu viel Zeit vor allem mit Nichtstun verbracht habe.

Also heißt es bis auf Weiteres: warten, nett lächeln, die unklugen Kommentare aushalten, sich von allen verwöhnen lassen und den Unfall zu meinem Vorteil nutzen.