“Russische Visionen“ spüren Prokofjew, Strawinsky und Schostakowitsch nach

Prokofjew, Strawinsky, Schostakowitsch - das sind die "großen Drei" unter den russischen Komponisten des 20. Jahrhunderts. Klangmaler, die ein riesiges Oeuvre hinterlassen haben, Innovatoren, die entscheidend für die Weiterentwicklung der Musik in den vergangenen 100 Jahren gewesen sind. Ihnen widmet die Hamburger Camerata ihr 5. Abonnementkonzert unter dem Titel "Russische Visionen".

Auf sehr unterschiedliche Weise haben die gewaltigen Wirren und Umbrüche Russlands diese Künstler geprägt: Revolution, Zweiter Weltkrieg, Stalinismus. Prokofjew verließ seine Heimat nach der Oktoberrevolution und wanderte 1918 in die USA aus. Dort kam er nicht zurecht, lebte später in Paris und kehrte 1936 in die Sowjetunion zurück. Nach dem Weltkrieg wurde er von den staatlichen Auguren des Formalismus bezichtigt und zu mehr Volkstümlichkeit aufgefordert. Völlig unbeachtet starb er am 5. März 1953, demselben Tag, an dem auch das Leben seines Widersachers Stalin endete. Mehr Erfolg war Strawinsky in den USA beschieden. Seit 1920 lebte er überwiegend in Frankreich, verließ das Land jedoch während des Zweiten Weltkrieges und wanderte nach Amerika aus. Dort starb er als amerikanischer Staatsbürger im hohen Alter von 88 Jahren. Nur Dmitri Schostakowitsch hielt Russland sein Leben lang die Treue. Einerseits schrieb er für Josef Stalin Hymnen, andererseits versuchte er auf Distanz zu dem kommunistischen Regime zu bleiben, eine nicht eben einfache Aufgabe.

Das bekannteste Werk, das die Camerata am 12. April spielen wird, dürfte Prokofjews 1. Sinfonie sein, die er 1916/17 noch in seiner Heimat schrieb. Sie trägt den Beinamen "die Klassische", weil der junge Komponist sich von der Tonsprache Haydns, aber auch von Mozart und Tschaikowsky beeinflussen ließ.

Strawinskys Concerto Es-Dur ist 1937/38 entstanden. Der Komponist befand sich damals in einer schwierigen finanziellen Situation, da eine seiner Töchter und seine Frau an Tuberkulose erkrankt waren und zur Kur in ein Schweizer Sanatorium mussten. Da kam ihm der Kompositionsauftrag des Mäzenehepaars Robert und Mildred Bliss sehr gelegen. Das Werk, in Strawinskys neoklassizistischer Phase entstanden, ist an Bachs Brandenburgische Konzerte angelehnt. Seinen Namen "Dumbarton Oaks" verdankt es dem Landsitz des Ehepaars Bliss in der Nähe von Washington, D.C.

Von Dmitri Schostakowitsch stehen gleich zwei Stücke auf dem Programmzettel der Camerata. Zu Beginn des Abends spielt das Ensemble die Kammersymphonie As-Dur op. 118a, die auf dem Streichquartett Nr. 10 As-Dur beruht. Der russische Staatskomponist schrieb die Sonate 1964 in nur elf Tagen während eines Sommerurlaubs. "Ich habe in einem Schwung das ganze Blatt beschmiert", berichtete er seinem Freund Isaak Glikman. Gewidmet hat er die Sonate dem Komponisten Mieczyslaw Weinberg, der neun Streichquartette komponiert hatte. "Ich hatte mir vorgenommen, ihn zu überholen, was jetzt geschafft wäre", so Schostakowitsch. Aus einer sehr viel früheren Phase seines Schaffens stammt das Konzert für Klavier, Trompete und Streichorchester c-Moll op. 35. 1933 experimentierte er mit einer neobarocken Kombination von Klavier, Trompete und Streichern. Im Oktober 1933 zum Saisonauftakt der Leningrader Philharmoniker wurde das Klavierkonzert uraufgeführt, Schostakowitsch selbst saß am Flügel.

Solistin bei der Hamburger Aufführung wird Marianna Shirinyan sein, die im Jahr 2006 beim internationalen Musikwettbewerb der ARD gleich fünf Preise bekam. Die in Armenien geborene Pianistin hat als Solistin vor allem mit den renommierten skandinavischen Orchestern in Oslo, Trondheim, Göteborg sowie dem dänischen Nationalorchester konzertiert. Die musikalische Leitung der "Russischen Visionen" übernimmt der Chefdirigent der Camerata, Simon Gaudenz.

Russische Visionen 12.4., 20 Uhr, Laeiszhalle, Karten zu 23,- bis 31,- unter T. 45 33 26