“Bunkerrauschen“ feiert 100 Jahre “Le Sacre du Printemps“

Wie bitte, kein Tutu und keine Spitzenschuhe? Stattdessen grob gewebte, bunte, unförmige Folklorekleidung? Das Publikum im Pariser Théâtre des Champs Élysées hatte am 29. Mai 1913 allen Anlass, sich über die Ballettpremiere zu erregen, die man ihm da zumutete. Und keinesfalls nur über die Ausstattung der Tänzer oder ihre absonderlichen Bewegungen. Auch die Musik hatte es in sich: Die gleißenden Farben, die Dissonanzen und brachialen Rhythmen von Strawinskys "Sacre du Printemps" hatten nichts gemein mit duftiger französischer Ballettmusik oder dem Schmelz von Tschaikowskys "Nussknacker".

Die Folgen sind bekannt: Vom ersten Fagottsolo an war im Zuschauerraum Gelächter zu hören; Zischen und Pfiffe steigerten sich zu einem Tumult, sodass die Uraufführung nur knapp zu Ende gebracht werden konnte.

Das Jubiläum "100 Jahre Sacre" ist also das Jubiläum eines Skandals. Darin liegt allerdings bereits der Widerspruch, der jede Neuerung ereilt, sobald sie Eingang ins Standardrepertoire gefunden hat, wie das Strawinskys Ballettmusik längst geschehen ist: Zum Skandal ist sie im Jahre 2013 nicht mehr geeignet.

Um in die Stimmung von damals noch einmal einzutauchen, bedarf es heute einiger Kunstgriffe - erst recht bei der Reihe "Bunkerrauschen", deren Publikum an Überraschungen deutlich mehr gewöhnt ist als einst die Damen in den Rängen des Théâtre des Champs Élysées. Die Pianisten Stefan Matthewes und Piotr Oczkowski spielen die Urfassung des Stücks für Klavier vierhändig und machen so hörbar, wie weit der Komponist seiner Zeit voraus war. Und anschließend verarbeitet das preisgekrönte Duo incite/ den "Sacre" zu einer elektronischen Musik- und Videoperformance, die planvoll ins Psychedelische abgleitet. "Fragmented Grayscale electronics" nennen die beiden Künstler ihre Arbeit.

"Es war einmal Strawinsky ..." 20.4., 18.00, 21.4., 16.00, Medienbunker. Karten zu 22,-/11,- unter T. 23 51 74 45 (Anrufbeantworter)