Die Musikhochschule beschließt mit “Le nozze di Figaro“ ihren Da-Ponte-Zyklus

Turbulent ist es in der Oper seit jeher zugegangen. Aber so weit wie Mozarts "Le nozze di Figaro" treibt es nicht jede. Ein haarsträubendes Tableau jagt das nächste: Die eine verschwindet im Schrank, der andere springt heimlich aus dem Fenster und verliert dabei unglücklicherweise ein Schriftstück, das ihn verraten wird, und wer in der berühmten Gartenszene in wessen Kleidern wem was weismacht und warum, darin können sich auch Kenner des Werks schon mal verheddern.

Das ist natürlich, wir ahnen es, volle Absicht von Mozart und seinem Librettisten Lorenzo da Ponte: Sie flechten in die federleichte Komödie mit unschuldigem Lächeln eine Botschaft von beträchtlichem politischem Sprengstoff, indem sie gleichsam nebenher die überbrachte feudale Gesellschaftsordnung infrage stellen. In dem Theaterstück "La folle journée", das dem Libretto zugrunde liegt, hatte das der Autor Beaumarchais noch sehr viel direkter getan. Dass die Oper der Zensur entging und, sogar auf ausdrücklichen Wunsch Kaiser Josephs II., uraufgeführt werden konnte, ist offenbar da Pontes Geschmeidigkeit zu verdanken; der hatte wohlweislich darauf verzichtet, eine sozialkritische Rede Figaros aus dem Original in seine Textfassung zu übernehmen.

Anfang Juni bringt die Musikhochschule den "Figaro" heraus und beschließt damit ihren Da-Ponte-Zyklus. Es singen Studierende der Opernklasse, die musikalische Leitung übernimmt Willem Wentzel, Regie führt Wolfgang Ansel. Ein stolzes Vorhaben für ein Ensemble von jungen Sängern, die den Einstieg ins Berufsleben noch vor sich haben. Wentzel sieht darin eine Chance: "Die Arien der Hauptrollen gehören zum Kernrepertoire", sagt er. "Außerdem können die Sänger im ,Figaro' sämtliche Facetten und Zwischentöne einer Bühnenrolle ausloten."

Und das auf kleinstem Raum. Wo Mozarts Zeitgenossen ausufernde Szenen schreiben, reicht ihm manchmal eine harmonische Wendung, um einen psychologischen Vorgang auszudrücken. Der Komponist denunziert seine Figuren nicht, sondern folgt ihnen mit liebevollem Blick durch ihre Gefühlsverwirrungen. So wird der Hörer in Cherubinos scheinbar so harmlosem Liedchen "Voi che sapete" (zu Deutsch etwa: Ihr, die ihr euch auskennt) Zeuge einer tief greifenden Verunsicherung dieses in seiner Sexualität erwachenden Jünglings.

Eine bevorstehende Hochzeit als solche taugt heute nicht mehr wirklich als Aufreger, und das berüchtigte "ius primae noctis", das der Graf bei der kecken Braut Susanna allzu gerne wahrnähme, haben Rechtshistoriker längst ins Reich der Legende verwiesen. Dass der "Figaro" sich bis heute ungebrochener Beliebtheit erfreut, liegt für den Regisseur Wolfgang Ansel unter anderem an den zeitlosen Konflikten: "Die Figuren sind getrieben von starken erotischen und sozialen Bedürfnissen und geraten in Situationen, die gleichzeitig komisch und tragisch sind." Wie Susanna den liebestollen Grafen eins ums andere Mal düpiert, das ist unnachahmlich. Ein Heiliger, wer dabei keine Schadenfreude empfände! Es gehört zu den Unerträglichkeiten der menschlichen Existenz, dass dieses leichte erotische Spiel eine todtraurige Rückseite hat. "Tröste mich, Amor", singt die betrogene Gräfin zu Beginn des zweiten Aktes, "oder lass mich sterben." Am Schluss wird der Graf reumütig zurückkehren. Ob er treu bleibt? Mozart wäre nicht Mozart, würde er sich da festlegen.

"Le nozze di Figaro" 2.6., 18.00, 4.6., 19.00 (Premieren), Forum. Karten zu 20,- unter T. 44 02 98. Weitere Vorstellungen: 7.6., 17.6., 21.6., 22.6. und 24.6., jeweils 19.00; 9.6., 18.00