Krzysztof Urbanski dirigiert “Le Sacre du printemps“

Es war ein waschechter Theaterskandal. Als Igor Strawinsky seine Ballettmusik "Le Sacre du printemps" am 29. Mai 1913 im Pariser Théatre des Champs Élysées uraufführen ließ, wurde sein Werk ausgebuht und verlacht. Nur der stoischen Ruhe des Dirigenten Pierre Monteux ist es zu verdanken, dass die Aufführung trotz der Tumulte im Saal überhaupt beendet werden konnte. Die heftigen Reaktionen verletzten den Komponisten sehr, er machte vor allem die Inszenierung von Vaslav Nijinsky für das Fiasko verantwortlich, der in seinen Augen das Werk choreografisch nicht bewältigt hatte.

Zugleich bedeutete "Le Sacre du printemps" für Strawinsky den Durchbruch. Heute gilt es als eines der Schlüsselwerke der Musik des 20. Jahrhunderts. 1913 überforderte es das Publikum mit seinen zahlreichen Dissonanzen, seiner Polytonalität und Polyrhythmik. Im Jahr des 100. Jubiläums von "Sacre" hat das NDR Sinfonieorchester einen der aufregendsten jungen Dirigenten verpflichtet, den Polen Krzysztof Urbanski.

Seine ersten Taktstöcke waren chinesische Stäbchen. Damit übte Krzysztof Urbanski in seiner polnischen Heimatstadt Pabianice für eine Schulaufführung. Der Schüler hatte ein eigenes Werk für Orchester geschrieben. Mit Komposition kam Urbanski später nicht mehr weiter, aber das Dirigieren machte ihm Spaß. Talent dafür hatte er offensichtlich im Überfluss, denn 2007 - im Alter von 25 Jahren - gewann er den Internationalen Dirigenten-Wettbewerb in Prag. Heute gilt Urbanski neben dem ein Jahr älteren Venezolaner Gustavo Dudamel als der spannendste Dirigent seiner Generation.

Urbanski widmet sich gern Werken polnischer Landsleute. Bereits im November 2010 bei seinem Debüt mit dem NDR-Orchester dirigierte er Krzysztof Pendereckis aufwühlendes "Threnos - den Opfern von Hiroshima" sowie Chopins Klavierkonzert e-Moll. Wenn er am 16. und am 19. Mai auf der Bühne der Laeiszhalle steht, stehen neben Strawinsky wieder zwei Stücke polnischer Komponisten auf dem Programm: Witold Lutoslawskis "Mala suita" und Frédéric Chopins Klavierkonzert Nr. 2 f-Moll op. 21.

"Es gibt so viele wunderbare Werke, die kaum jemand kennt, weil sie selten aufgeführt werden", sagt Urbanski. Für Lutoslawkis "Mala suita" trifft das nicht zu, das Stück taucht oft auf den Programmzetteln verschiedener Orchester auf. Mit dieser "kleinen Suite" reagierte der Komponist 1950 auf Kritik von staatlicher Seite an seiner ersten Sinfonie. Immer wieder mischten sich Funktionäre in den totalitär regierten Staaten des Warschauer Paktes in die Belange ihrer Künstler ein. Lutoslawski baute in sein Werk eine Reihe von folkloristischen Elementen ein und machte Zugeständnisse an das Gewünschte.

Solist bei Chopins 2. Klavierkonzert ist der 1977 in Zagreb geborene Dejan Lazic. Wie Urbanski gehört auch Lazic zu einer Musikergeneration, die gleichermaßen durch brillante Technik und großes musikalisches Gespür auffällt. 2009 hat er einen Klassik-Echo für seine Live-Aufnahme von Rachmaninoffs berüchtigt schwierigem 2. Klavierkonzert bekommen. Mit Chopins Werk ist er bestens vertraut, und er bringt die nötige Fingerfertigkeit mit. Nicht umsonst wurde der 20 Jahre alte Komponist und Pianist 1830 nach der Premiere seines Werkes als "Paganini des Klaviers" gefeiert.

Das Publikum darf gespannt sein, ob Urbanski die schwierigen Werke an diesem Abend ohne Partitur dirigieren wird, wie er es oft macht. Seine Methode des Auswendiglernens verriet er dem Klassikmagazin "Concerti": "Ich spiele das Stück am Klavier Note für Note, Stimme für Stimme durch. Dann setze ich mich hin und probiere im Kopf Dinge aus. So entwickele ich meine Interpretation."

Abo-Konzerte 16.5., 20.00, 19.5., 11.00, Laeiszhalle. Karten von 10,- bis 46,- unter T. 0180/178 79 80* oder www.ndrticketshop.de