Asien ahoi: Alte Sehnsuchtsziele der westlichen Welt wie Thailand, Indonesien, Vietnam oder China per Schiff zu erkunden, hat besonderen Reiz

Am neuen Cruise-Terminal an der Marina Bay in Singapur liegt eine schnittige weiße Lady vor Anker. Typ überdimensionierte Yacht. Aber wohl ein Geisterschiff. Oder warum sonst ist niemand an Deck zu sehen? Warum bin ich drei Stunden vor dem Ablegen der einzige Passagier an der Passkontrolle? "Die Gäste sind bereits an Bord", lächelt eine junge Dame in blütenweißer Uniform. "Sie sind der letzte ..."

Auf der "Silver Shadow" wohnen alle Passagiere in großen Außensuiten. Meine hat eine Veranda mit zwei gemütlich aussehenden Deckstühlen. Es klopft an der Tür. Der junge Filipino, der in seinem grauen Frack ein klein wenig pinguinähnlich ausschaut, stellt sich artig als mein persönlicher Butler vor und fragt, ob ich statt der italienischen Pflegeprodukte im Bad lieber eine andere Marke hätte. Und welche Drinks ich bevorzuge. Mit den erklärten Lieblingsgetränken würde er sogleich meinen Barkühlschrank bestücken.

Butler-Service ist ein wenig ungewohnt, wenn man nicht zufällig auf einem englischen Schloss lebt. Aber die Idee mit den Drinks scheint nicht schlecht. An Bord der "Silver Shadow" sind die Getränke - auch Champagner - im Reisepreis ebenso enthalten wie die Trinkgelder. Ich lasse ihn mal machen und tue so, als sei ich es nicht anders gewohnt. Am ersten Abend speise ich an Deck. Sanft taucht die "Silver Shadow" in die Tropennacht. Am Horizont wird die glitzernde Silhouette von Singapur immer kleiner. Dann habe ich nur noch Augen für das monströse Entrecote auf meinem Teller.

Noch ein paar Riesengarnelen dazu, Surf & Turf? Warum nicht, wenn die aufmerksame Bedienung schon so suggestiv fragt. Das Fleisch darf ich am Tisch auf einer höllisch heißen Platte selbst zubereiten, was Ur-Instinkte hervorruft wie auch die beruhigende Gewissheit, nach minimaler Garzeit ein innen noch blutiges Steak zu genießen. Vermutlich werde ich in den neun Tagen meiner Reise über Vietnam nach Hongkong nicht verhungern. Beruhigend ist überdies, dass sich die Silversea-Reederei kulinarisch den Prinzipien der gourmetlastigen Hotelvereinigung Relais & Châteaux verschrieben hat.

Am nächsten Morgen um acht bin ich beim Yoga auf Deck 12. Eine gestreng blickende Sportlehrerin aus Südafrika turnt vor, und lauter hübsche Damen zwischen 30 und 60 machen alles gelenkig nach. Ich bin der einzige Mann und der Einzige, der sich dumm anstellt. Aber niemand lacht.

Dass die "Silver Shadow" das Gegenteil eines schwimmenden Seniorenheims mit strikten Essenszeiten und steifen Ritualen ist, davon bin ich ausgegangen. Sie ist aber auch kein Spaßschiff mit verordneter Gruppenlustigkeit. Eher ein Platz für genussorientierte und sehr anspruchsvolle Individualisten aus aller Welt, schließlich ist diese Yacht mit das Luxuriöseste, was über die Meere schippert.

Ein paar Worte zu meinen Bord-Bekanntschaften. Da ist das witzige englische Pärchen, nennen wir es David und Victoria. Beide wohl noch recht frisch in der Upperclass, weil er auf seinem iPhone permanent Fotos seines weißen Rolls-Royce Cabrios herumzeigt. Victoria wiederum ist ein Kommunikationstalent, das flugs eine happy Crew um sich schart. Der leicht füllige Schotte und seine zierliche chinesische Frau, die unentwegt schnäbeln, sind auf Hochzeitsreise. Der Gentleman aus Chicago, der wunderbar in "Der Pate, Teil 1" hätte mitspielen können, wird flankiert von einer attraktiven Rothaarigen. Das Genießerpaar aus Slowenien entpuppt sich als bemerkenswert kenntnisreich in Sachen edler Weine. Zwei liebenswerte Schwestern aus Neuseeland, die Schmuck kreieren, unterstützen nebenbei soziale Projekte in Afrika. An der älteren englischen Lady aus Hongkong gefallen mir die königlichen Manieren. Champions im Flirten sind zwei gut gelaunte Reisebüro-Inhaberinnen vom wahren Ende der Welt, Perth in West-Australien. Ein schmaler Chinese aus Shanghai, der mein Englisch nicht zu verstehen scheint, bietet mir unentwegt dicke Davidoffs an, obwohl ich nicht rauche. Vier entzückende Damen aus Singapur, jeweils Mutter und Tochter, versuchen vergeblich, mir ein Kartenspiel beizubringen. Und dann sind da noch rund weitere 300 Passagiere, darunter drei Deutsche.

Man lernt sehr schnell Menschen kennen auf der "Silver Shadow". Und man lernt Asien zu lieben - von einer seiner faszinierendsten Seiten. Unfassbar, dass die wendige "Silver Shadow" in Saigon mitten in die Stadt fahren kann. Die Reling hinunter und man ist in Ho-Chi-Minh-Stadt, wie die Metropole offiziell heißt. Vom Anlegeplatz bis ins Zentrum sind es nur 15 Minuten zu Fuß. Traumhaft auch, durch die grüne Hölle des Mekong-Deltas zu gleiten, vorbei an Fischerbooten und kleinen Dörfern.

Doch nichts berührt so wie die Halong-Bucht im Norden des Landes. Die vietnamesische Sage erzählt von einem Riesendrachen, der aus den Bergen herabeilte und 3000 Perlen ins Meer spuckte, um angreifenden Feinden den Weg zu versperren. Wie schlafende Wesen aus Stein und Wald liegen die kleinen Inseln im smaragdgrünen Wasser, Überreste gewaltiger Muschelkalkbänke, die vor Millionen Jahren heranwuchsen. Die "Silver Shadow" fährt im Zeitlupentempo an Dschunken und Booten vorbei. Wo immer ich auf dieser Reise von Bord gehe, begegne ich freundlichen Menschen. Und wenn man kein Wort der Landessprache kennt, ist ein Lächeln auch immer die Antwort, die am einfachsten ist.

Es heißt Abschied nehmen, mit Barbecue und Party unter Sternen. Dann legt der DJ "Gangnam Style" auf, und da sind die Damen aus China, USA, Singapur, England, Australien und ein Herr aus Frankreich nicht mehr zu halten. Wie abgesprochen formieren sie sich und zappeln synchron nach Asiens kuriosestem Welthit.

(Die Reise erfolgte mit Unterstützung durch Silversea Cruises.)