Stefan Bachmann zeigt “Genesis. Die Bibel, Teil 1“ ungekürzt

Der Theater-Marathon "Genesis. Die Bibel, Teil 1" auf Kampnagel verspricht ein Höhepunkt der Lessingtage zu werden. Stefan Bachmann, ab 2013 Schauspieldirektor in Köln, inszenierte den Mythos als archaisches Spektakel.

Hamburger Abendblatt:

Sind Sie ein gläubiger Mensch?

Stefan Bachmann:

Eine Antwort mit Ja oder Nein wäre zu banal. Ich bin konfessionslos und ungetauft und habe keine religiöse Erziehung genossen. Meine erste Bibellektüre waren Fresken in Kirchen. Auf Italien-Reisen haben mir meinen Eltern die Motive erklärt. Seitdem interessiere ich mich für die Bibel. Ein reiner Agnostiker zu sein, ist doch langweilig.

Haben Sie nicht sogar Religionswissenschaften studiert?

Bachmann:

Ja, seit dem Studium 1991 besitze ich die Ausgabe der Neuen Jerusalemer Bibel. Ich denke, das ist die beste Bibel-Ausgabe, die es gibt. Sie ist wertneutral, hält sich präzise an den Urtext und ist keine Nachdichtung.

Haben Sie damals schon daran gedacht, die Bibel zu inszenieren?

Bachmann:

Tatsächlich spukt die Theateridee seit dieser Zeit in meinem Kopf herum, ohne konkret Gestalt angenommen zu haben - bis die Dramaturgen des Zürcher Schauspielhauses mir den Vorschlag machten: Mach doch die Bibel!

Ihre erste Reaktion?

Bachmann:

Sehr gern, aber was denn bitte? Dann hat sich der Gedanke mit Dramaturg Lukas Bärfuss entwickelt, im Anfang anzufangen und es in der Vollständigkeit des Textes zu machen.

Was waren die Gründe?

Bachmann:

Ein Best-of Bible zu montieren, trauten wir uns nicht zu. Man kann in das Buch der Bücher nicht wirklich eingreifen. Die Arbeit mit Lukas bestand dann darin, den Mut und das Zutrauen zu finden, die Genesis wirklich ohne Striche zu machen.

Wie vereinbaren Sie denn ihren Ruf als rebellischer Pop-Regisseur mit dem konservativen Konzept eines Peter Stein, der Goethe oder Kleist wortwörtlich und werktreu inszeniert?

Bachmann:

Ich würde nie sagen, dass ich werktreu inszeniere. Das kann man gar nicht. Vielleicht ist das der Lauf der Welt: Irgendwann landet man da, wo die Eltern waren, da kann man so weit wegrennen, wie man will. Das ist jetzt nicht mein Arbeitsdogma, Stücke nur mehr ohne Striche zu spielen. Aber in diesem Fall bestand die radikale Annäherung an den Text doch genau darin. Alle glauben ihn zu kennen, aber wirklich kennen ihn nur wenige.

Inszenieren Sie die Genesis sozusagen aus einer säkularen Perspektive?

Bachmann:

Ich versuche, sie weder aus der christlichen noch aus der jüdischen oder islamischen Sicht zu interpretieren, sondern behandle sie als Geschichtenerzähler wie einen Mythos und einen Urstoff, der etwas von dem erahnen lässt, woher wir kommen und warum wir so sind, wie wir sind.

Spielen Sie in der szenischen Umsetzung mit Theaterformen?

Bachmann:

Es gibt unterschiedliche Ästhetiken, die sich abwechseln. Am Anfang ist es sehr nüchtern, eine Art Lesung, die dann mit bewusst naiven, kindlichen Theatermitteln in ein Spielen übergeht, das gegen Ende immer moderner und in der Josephs-Geschichte auch poppiger wird. Das eigentliche Erlebnis ist, dass sich ein Gesamtbild aus Bekanntem, Neuentdecktem und Nichtgewusstem ergibt.

Ist Ihr Abend eine Art Religionsunterrichts-Nachhilfe?

Bachmann:

Ja, warum eigentlich nicht (lacht). Man soll etwas mit nach Hause nehmen. Nicht im Sinn religiöser Belehrung, das können andere besser. Das Problem ist doch, hört man im Gottesdienst Bibel-Ausschnitte, machen die Ohren schlapp wegen des psalmierenden Tons. Das klingt immer so langweilig. Aber wenn gute Schauspieler die Geschichten in den Mund nehmen, bekommen sie etwas Griffiges, Rüdes, Spannendes und Überraschendes. Sie sind gewalttätig, erotisch, poetisch und auch humorvoll.

"Genesis. Die Bibel, Teil 1" 2.2., 18.00, 3.2., 17.00, Kampnagel, Jarrestraße 20, Karten zu 31,- bis 48,- unter T. 32 81 44 44