Von der Idee eines Kriegsgefangenen bis zum Medienereignis von heute

Wenn es eine Wallfahrt für Protestanten gibt, dann ist es die Reise zum Kirchentag. Das Christentreffen mit rund 100.000 Besuchern findet alle zwei Jahre statt und führt die Teilnehmer zu ganz unterschiedlichen Metropolen in Deutschland. Jetzt kommt der Kirchentag zum vierten Mal nach 1953, 1981 und 1995 nach Hamburg.

Die Idee für ein solch massenwirksames Event geht auf den aus Pommern stammenden Gutsbesitzer und Juristen Reinhold von Thadden-Trieglaff (1891-1976) zurück. Als Mitglied der Bekennenden Kirche im Dritten Reich verstärkte sich während der russischen Kriegsgefangenschaft sein Wunsch, evangelische Christen im zerstörten Deutschland regelmäßig mit einem großen Treffen zu verbinden. Und auf diese Weise auch Reformen in der Kirche anzustoßen und gesellschaftliche Themen zu setzen. Bei der "Evangelische Woche" 1949 in Hannover wurde der Deutsche Evangelische Kirchentag (DEKT) als "Einrichtung in Permanenz" aus der Taufe gehoben. Sein erster Präsident war der spätere Bundespräsident Gustav Heinemann.

Seit seiner Gründung versteht sich der Kirchentag als einflussreiche Laienbewegung im Protestantismus und als "evangelische Zeitansage". In den Anfangsjahren dominierte die deutsch-deutsche Frage - auch beim ersten Hamburger Kirchentag. Das Treffen an der Elbe stand 1953 unter dem Motto "Werft euer Vertrauen nicht weg". Auf ein gemeinsames Deutschland hofften damals noch viele. Mit wachsender Kritik an den Institutionen verlor die Laienbewegung allerdings Anfang der 1970er-Jahre an Bedeutung. Denn zum Düsseldorfer Kirchentag 1973 kamen lediglich 7500 Dauerteilnehmer. "Ein Tiefpunkt", konstatiert der Theologieprofessor Harald Schroeter-Wittke.

Einen Wendepunkt stellt der Hamburger Kirchentag im Jahr 1981 dar. Sein Motto unter der Präsidentschaft des SPD-Politikers Erhard Eppler: "Fürchte dich nicht". Damals hatten viele Angst vor einem Atomkrieg zwischen den beiden Supermächten. Von diesem Christentreffen gingen wichtige und nachhaltige Impulse für die Friedensbewegung und den konziliaren Prozess für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung aus.

Auch andere Kirchentage sind in die Geschichte eingegangen. 1961 (in Berlin) wurde der längst fällige christlich-jüdische Dialog eröffnet, 1965 (in Köln) das evangelisch-katholische Gespräch und 1979 (in Nürnberg) das Feierabendmahl erprobt. Damit erhielten protestantische Frömmigkeit und Gottesdienstpraxis eine unkonventionelle Form. In der Mediengesellschaft von heute hat der Deutsche Evangelische Kirchentag längst seinen Platz gefunden. Die Fernsehbilder von Zehntausenden feiernden und fröhlichen Christen finden genauso mediale Beachtung wie die Vorträge von Politikern und die Predigten der Bischöfe.