Modellbauer Wilhelm Besch übersetzt Container, Schiffe, Straßen und Grünflächen in ein detailgetreues Modell

"Ein bisschen verrückt muss man schon sein, um so ein Projekt in Angriff zu nehmen", sagt Wilhelm Besch und lacht. Ihm ist klar, dass noch unzählige Arbeitsstunden vor ihm liegen, bevor er das Miniaturmodell des Hamburger Hafens im Maßstab 1:1250 mit seinem Team fertiggestellt hat. Ein Vollzeitjob über zehn Jahre lang.

Anfang 2010 beginnen Chefdenker Besch und sein Mitarbeiter Armin Flügge damit, erste Container, Schiffe, Lagerhallen, Wege, Straßen und Grünflächen im Internationalen Maritimen Museum von Peter Tamm aufzubauen. Dort soll in ungefähr sieben Jahren das komplette Modell stehen: 5,32 mal 2,32 Meter. Etwa ein Fünftel des Modells ist bereits vollendet. Wann immer Besch und sein vierköpfiges Team einen Teil fertiggestellt haben, wird es aufgebaut - Man kann dem Kunstwerk also stetig beim Wachsen zuschauen.

Das Modell des Hamburger Hafens befindet sich auf Deck 9 des Museums in guter Gesellschaft. Neben über 30 000 Miniaturmodellen im standardisierten Maßstab 1:1250 befindet sich auf dieser Etage des denkmalgeschützten Kaispeichers B schon ein Modell des Container-Hafens Bremerhaven. Durch diese Modelle der "Hafenlandschaft" werden auch die anderen detailgetreuen Miniaturen in Bezug zu den "kleinen großen Häfen" gesetzt.

Begonnen hat Wilhelm Besch seine Karriere allerdings mit großen Schiffen. Der 72-Jährige ist gelernter Schiffsbauer. Später arbeitete er beim Katasteramt und erhielt über Umwege den Auftrag, Schiffsbaupläne für Miniaturen zu zeichnen. "Die Anfertigung dieser speziellen Pläne war so aufwendig, dass man mich eigentlich gar nicht bezahlen konnte. Deswegen wurde ich in Miniaturschiffen bezahlt. Ich habe so viele Miniaturen, dass ich immer gar nicht weiß, ob ich im Museum oder zu Hause bin", sagt Besch ein bisschen stolz. "Aber", fügt er hinzu, "wenn Sie Sammler sind, haben Sie'n Schatten, das ist klar. Ich habe meinen Kumpel bei Eurogate gefragt, ob er mir Pläne für Container-Brücken besorgt, damit ich die für die ganzen Schiffe bauen konnte. Und so ging das los. Erst Bremerhaven und jetzt Hamburg." Beschs Modelle sind nicht etwa aus Plastik, sondern aus Metall. Vom kleinsten Container bis zum größten Schiff. Das riesige Modell bildet den Hafen ab, wie er heute besteht. Das erfordert zweierlei: gute Kontakte und Durchhaltevermögen.

Da viele Bereiche des Hafens nicht frei für Passanten zugänglich sind, werden Pläne benötigt. Die Luftbilder von Google reichen da nicht aus, denn die sind meist veraltet. 40 Visitenkarten von Chefs und Sekretärinnen von diversen Logistik-, Lager- und Baufirmen, Werften und Energieversorgern haben Besch und Flügge schon zusammengetragen.

Und Besch betont: "Ohne die Hilfe der Betriebe wäre so ein Projekt nicht möglich." Um diesen Kontakt herzustellen, mussten sich die Modellbauer durchfragen: "Alle haben uns geholfen. Und viele sagten: 'Ach, ich bin ganz stolz, dass mein Betrieb Teil Ihres Modells ist.'" Doch nicht nur Betriebe und Firmen beteiligten sich, auch private Häuser. Eigentlich sogar halb Moorburg. Die Rolle von Bäumen und Wohnhäusern, Kühen und Autos darf nicht unterschätzt werden. Die Landschaft, die das Hafenmodell rahmt, kennt der Besucher aus dem Alltag. Und wenn man sieht, wie klein in natura ein riesiges Bauernhaus ist, kann man sich vorstellen, wie gewaltig die Containerschiffe tatsächlich ausfallen. "Das Dorf ist fast das Wichtigste an dem Modell", findet auch Besch, "weil sich auch Kinder dann die Dimensionen besser vorstellen können." Um die Häuser realistisch abzubilden, mussten Flügge und Besch "Klinken putzen" gehen. Im Februar fotografierten sie bei minus sieben Grad jedes einzelne Haus, klingelten und erläuterten ihr Vorhaben.

Ursprünglich wollte Museumsgründer und Stifter Peter Tamm nur Altenwerder als Miniaturmodell bauen lassen, weil dort ein anderes Transportsystem - mit Portalkränen, Geisterfahrzeugen und Magnetschienen - als im schon bestehenden Modell von Bremerhaven benutzt werde, erklärt Besch. Der Kontrast der beiden Hafensysteme sollte im Vordergrund stehen. "Und dann wurde es immer mehr" freut sich der Bastler. Erst wollte Peter Tamm die A 7 dazunehmen. Besch gab zu bedenken, dass man dann auch die Kirche in Altenwerder und den aufgeschütteten Berg in Moorburg berücksichtigen müsse und direkt daneben den Hansaport und so weiter. Peter Tamm fand das in Ordnung, wollte dann aber auch die Köhlbrandbrücke haben. "Dann wird das aber ein riesiges Modell", entgegnete Besch.

Und dieses riesige Modell wird den Hafen von Moorburg bis zum Elbstrand abbilden. Zu fünft arbeiten Besch und sein Team mit großer Ruhe und Fingerfertigkeit an den Hunderttausenden Objekten: 105 000 Container, 75 Containerschiffe, 35 000 Bäume, 3500 Eisenbahnwaggons, unzählige Hochspannungsmasten nach jeweils eigenem Bauplan - eine Sisyphusarbeit. Denn natürlich ist der Hamburger Hafen ständigen Veränderungen unterworfen. Diese eine "blöde Kreuzung im Zollgebiet" habe Besch zum Beispiel gleich dreimal entwerfen müssen.

Der sympathische Bastler, der sich am liebsten dem Bau von Container-Brücken widmet, lässt sich angesichts der Zeit, die er in das Projekt investiert, nicht entmutigen: "Nee, die Arbeitsstunden zähle ich nicht. Das ist für mich keine Arbeit, das macht mir einfach Spaß. Manchmal wünschte ich nur, dass ich noch jünger wäre, dann könnte ich noch mehr Projekte angehen. Den Hafen von Shanghai zum Beispiel, der ist noch größer."