Ihre Expedition führte Professorin Angelika Brandt und ihr Team vom Zoologischen Museum der Universität sieben Wochen lang in den Pazifischen Ozean - auf der Suche nach den Geheimnissen des Meeres. Über ihr Abenteuer führte sie ein Tagebuch

Vom 21. Juli bis zum 7. September 2012 gingen wir mit dem Forschungsschiff (FS) "Sonne" auf Tiefsee-Expedition. Mit anderen deutschen und russischen Forschern untersuchte unser Team im Kurilen-Kamtschatka-Graben im Pazifik die Biodiversität. An Bord schrieben außer mir Nikolaus Elsner, Viola Fischer, Torben Riehl und Laura Würzberg abwechselnd mit anderen Wissenschaftlern das Expeditionstagebuch.

Sonnabend, 21. Juli 2012

Nachdem wir in Busan (Südkorea) auf das Forschungsschiff "Sonne" gebracht worden waren, begannen erst einmal das Auspacken der Container sowie die Aufbauarbeiten in den Laboren - alles musste installiert und gut fixiert werden. Um an Bord arbeiten zu dürfen, mussten wir alle die obligatorische Sicherheitsübung absolvieren: Das Verhalten im Falle eines Brandes, einer Überschwemmung oder eines "Person-über-Bord-Szenarios" wurden beschrieben. Es wurde uns nahegelegt, sich mit der neuen Umgebung vertraut zu machen. Zum Beispiel stehen Änderungen der Schiffszeit an der Haupttafel. Ich habe diese Information einmal verpasst und somit das Frühstück - in Zukunft werde ich sicherlich besser aufpassen!

Montag u. Dienstag, 23.-24. Juli 2012

Nun geht es in das Untersuchungsgebiet zur ersten Station, um in etwa 5300 Meter Tiefe zu forschen. Wir sind gespannt, was uns erwartet.

Donnerstag/Freitag, 25.-26. Juli 2012

Da nun alle Wissenschaftler an Bord sind, haben wir begonnen, uns in abendlichen Vorträgen gegenseitig unsere Fachgebiete und Ziele der Expedition vorzustellen. Inzwischen haben wir das Japanische Meer verlassen und sind in den offenen Pazifischen Ozean vorgedrungen.

Sonnabend, 28. Juli 2012

Über dem Schiff liegt eine Mischung aus Spannung und Vorfreude. Die erste Station ist jedes Mal die aufregendste: Welchen Untergrund werden wir vorfinden? Wie sieht der Meeresboden aus? Und welche Tiere leben hier?

Um den Untergrund sichtbar zu machen, benutzen wir zwei verschiedene Systeme: Zunächst wird der Meeresboden mithilfe eines Echolots abgetastet. Diese Informationen helfen uns, eine möglichst ebene Strecke für unsere geschleppten Geräte zu finden. Mit dem zweiten Gerät, dem OFOS¹, können wir den Meeresboden direkt sehen. Auf diesem Gerät sind Kameras installiert, die auf dem Schiff in Echtzeit betrachtet werden können.

Sonntag, 29. Juli 2012

Die Stationsarbeit hat heute Nacht angefangen. Um drei Uhr morgens ging die CTD-Rosette² ins Wasser und kam pünktlich zum Frühstück wieder hoch. Alle waren draußen, um zu schauen, wie das CTD-Team das Gerät sichert und die Wasserproben nimmt. Noch ist jede Probenentnahme spannend, aber nach ein paar Stationen und Nachtschichten werden die neugierigen Besucher langsam weniger werden.

Auch das OFOS ging heute zu Wasser. Die Scheinwerfer beleuchteten Staatsquallen, Meerborstenwürmer sowie kleine Krebse, die vor dem Licht flüchteten. Wir waren sehr erstaunt, wie reichhaltig der "Tisch" für die Organismen, die in mehr als 3000 Meter Tiefe leben, noch gedeckt ist. Als das OFOS dann endlich den Grund erreicht hatte, verabschiedete sich die Kamera aufgrund eines Problems mit einem Kabel - wir mussten es wieder hieven. Unser Elektroniker fand jedoch schnell den Fehler, sodass das OFOS jetzt schon wieder einsatzbereit ist.

Sonntag, 5. August 2012

Wir vom Meeresassel-Team sind von den bisherigen Forschungsergebnissen völlig begeistert, denn wir haben in einem Netzbecher des EBS³ mehr als 40 Meeresassel-Arten gefunden. Für 5400 Meter Tiefe eine große Vielfalt.

Montag, 6. August 2012

Gestern haben wir zum ersten Mal unsere Geräte an der Flanke des Kurilen-Kamtschatka-Tiefseegrabens eingesetzt. Dabei wurde unsere Vermutung bestätigt, dass hier eine besondere Tierwelt zu finden ist. Unsere Geräte brachten eine Vielzahl seltsamer und wunderschöner Tiefseebewohner an Deck, die alle Anwesenden in helle Begeisterung versetzten. Das große Nasslabor ähnelte einem orientalischen Basar, auf dem sich die Biologen über die Wannen mit den Raritäten beugten, diskutierten und die Proben sortierten, um sie anschließend zu fotografieren und schließlich in Alkohol oder Formaldehyd zu fixieren.

Dienstag, 7. August 2012

Die extremen Verhältnisse in der Tiefsee führen dazu, dass wir über diesen Lebensraum und seine Bewohner noch sehr wenig wissen. Das FS "Sonne" bietet daher eine der wichtigsten Plattformen Deutschlands, das Meer bis in größte Tiefen zu erforschen. Dort leben zum Beispiel die Meeresasseln (Isopoda), die entfernt mit den bekannten Keller- und Steinasseln verwandt sind. Anders als an Land sind Isopoden in der Tiefsee sehr artenreich und in verschiedenen Formen vertreten. Wie wir auf dieser Expedition bereits zeigen konnten, können mit einer einzigen Probe durchaus 50 Arten von Isopoden ans Tageslicht befördert werden. Viele davon werden für die Nachwelt wissenschaftlich beschrieben werden.

Mittwoch, 8. August 2012

Bei den Live-Aufnahmen des OFOS fühlte ich mich wie bei einer Fahrt mit einem Raumschiff durch das Weltall. Plankton-Teilchen erschienen als weiße Punkte und rauschten an der Seite des Bildschirms vorbei, manchmal erschien darin ein größeres Tier, etwa ein Grenadierfisch oder eine Seegurke.

Sonntag, 12. August 2012

Heute war unser letzter Tag an Station 5. Ich untersuche hier an Bord marine Borstenwürmer (Polychaeten). Wenn ich Bekannten erzähle, dass ich an winzig kleinen Tiefseewürmern arbeite, sind die Reaktionen meistens ähnlich: "Ist das nicht langweilig?" oder "Oh, wie eklig". Meiner Meinung nach trifft beides nicht zu. Polychaeten sind nicht nur unglaublich vielgestaltig, bunt und interessant. Sie können sogar recht niedlich aussehen. Interessant war für mich die Erkenntnis, dass einige Arten der Gattung Travisia einen sehr starken Geruch verströmen - um es mal freundlich auszudrücken. Ein einziges, etwa 2,5 Zentimeter langes Exemplar dieser Gattung reichte - obwohl ungefähr sechs Zentimeter tief im Sediment verborgen -, um den Geruch wahrzunehmen. Es stecken ungeahnte Fähigkeiten in diesen kleinen Meeresbewohnern.

Sonnabend, 18. August 2012

Die bisherige Probenentnahme verlief außerordentlich gut. Alle Geräte funktionierten an allen Stationen und brachten das gewünschte Sediment, nur manchmal funktionierte die Elektronik nicht einwandfrei oder ein Gerät verfing sich, wie heute, in einem Netz. Es gibt an Bord daher sehr viel Material aufzuarbeiten. Wenn nicht gerade Wale um unser Schiff kreisen, verbringen wir viel Zeit an den Mikroskopen.

Montag, 20. August 2012

Die vergangene Nachtschicht am OFOS zeigte keine besonders aufregenden Bilder von großen Organismen, sondern eher eintönigen Tiefseeboden - nur hin und wieder waren ein Seeigel oder ein Grenadierfisch zu sehen. Es wurden jedoch zahlreiche kleine, schnelle Schwimmer - wie Krebse und Meeresborstenwürmer - von dem Licht der Scheinwerfer aufgeschreckt und schwammen fluchtartig davon. Eine Hoffnung also für den Einsatz des EBS in der kommenden Nacht. Ein Vorteil bei den Nachtschichten mit dem EBS ist, dass nur eine Wachperson auf das Gerät am Boden aufpassen muss, die anderen Wissenschaftler können schlafen. Nächste Nacht gehört das FS "Sonne" also mir!

Sonnabend, 1. September 2012

Der letzte Einsatz des EBS hat begonnen. Wir freuen uns sehr über das reichhaltige und gute Probenmaterial, das wir auf dieser Expedition gesammelt haben. Als Fahrtleiterin bin ich natürlich auch mehr als glücklich, dass auf dieser Expedition, die ich zu meinen erfolgreichsten zählen möchte, alles so hervorragend geklappt hat - inklusive unglaublichen Glücks mit dem Wettergott. Es ist alles optimal gelaufen, zum ersten Mal während meiner bisher 20 Expeditionen.

Sonntag, 2. September 2012

Das Schiff ähnelt einem Ameisenhaufen, jeder trägt irgendetwas irgendwohin, säubert einen Raum, kümmert sich. Es lässt sich nicht mehr leugnen, dass der Abschluss unserer Reise vor uns liegt, und die Mischung aus schönen Erinnerungen an dieses Schiff und freudiger Erwartung auf zu Hause erzeugt eine bittersüße Empfindung. Wenn ich nach Hause fliege, werde ich nicht nur Proben mitnehmen, sondern auch schöne Erlebnisse mit Menschen, die auf dieser Fahrt zu Freunden wurden.

Freitag, 7. September 2012

Was soll ich sagen!? Mein Herz schlägt für das Meer! Das war schon immer so, auch als Kind habe ich meinen Kopf lieber unter Wasser gehalten und getaucht, als an der Oberfläche zu schwimmen. Dieses ist vielleicht auch ein Grund dafür, warum ich als junge Studentin eine Forschungstaucherausbildung absolviert habe. So sehr ich meine Arbeit mit den Studenten an der Universität und die Forschung generell liebe, so sehr liebe ich den Ozean, Schiffe und die Basisarbeit eines Biologen. Mein Herz schlägt einfach höher, wenn wir Proben aus der Tiefsee nehmen können. Wir freuen uns schon heute auf die Ankunft der Container und das "Déjà-vu" mit unseren kleinen Tiefseeorganismen, die darauf warten, von uns weiterbearbeitet zu werden. Mit dem Auspacken werden die Erinnerungen wieder wach werden. Ein schönes Schiff, eine erfolgreiche Expedition und sehr nette Menschen!

¹) OFOS: Das Ocean Floor Oberservation System ermöglicht Live-Übertragungen vom Meeresboden auf das Schiff und misst verschiedene Parameter.

²) CTD-Rosette: CTD steht für Leitfähigkeit (Conductivity), Temperatur, Tiefe (Depth). Das Gerät wird ins Meer abgesenkt, und beim Heraufziehen werden Proben aus verschiedenen Wassertiefen genommen.

³) EBS: Der Epibenthosschlitten ist ein Gerät, das wie ein Kescher am Meeresboden durch das Wasser gezogen wird