Im Debattierclub richtig diskutieren lernen oder bei Moot Courts internationale Fälle verhandeln - die Uni Hamburg bietet auch viel Praxisluft

Kahle Korridore, gelbe Betonwände und graues PVC auf dem Boden schaffen nicht gerade eine inspirierende Atmosphäre. Von der Tristesse des sogenannten WiWi-Bunkers ist mittwochabends im kleinen Raum 0080 jedoch nichts zu spüren: Hier sprühen die Ideen, Argumente fliegen durch den Raum und die Konzentration ist beinah mit den Händen greifbar. Das ist immer so, wenn der Debattierclub der Uni Hamburg sich trifft.

"Den von Studierenden gegründeten Club gibt es seit 2006", erzählt VWL-Studentin Kira Lancker, 23, die seit fünf Jahren dabei ist. "Ich habe schon in der Schule Spaß am Debattieren gehabt, fand aber, dass dafür im Politikunterricht viel zu wenig Zeit war", sagt Kira, die dann von einem Freund, der bereits studierte, zum Debattierclub mitgenommen wurde. "Denn der Club ist nicht nur für Studierende offen: Jede und jeder Interessierte, ob Juristin oder Krankenpfleger, kann bei uns mitmachen." Und mitmachen, das heißt: debattieren - im Unterschied zum regellosen Diskutieren. Im Debattierclub gibt es klare Regeln, wie eine Debatte abzulaufen hat - so wird garantiert, dass jeder Redner auch genug Zeit bekommt, seine Argumente zu präsentieren, und es am Ende ein gerechtes Votum geben kann. "Das Thema der jeweiligen Debatte wird zu Beginn des Treffens bekannt gegeben, die Teilnehmenden werden in ein Pro- und ein Kontra-Team aufgeteilt, die dann jeweils 15 Minuten Vorbereitungszeit bekommen", erklärt Kira. Dann beginnt die eigentliche Debatte, in der jeder Redner genau sieben Minuten Zeit hat, seinen eigenen und den Standpunkt seines Teams argumentativ zu verteidigen.

Und wer gewinnt? "Das Team, das am Ende mehr Punkte bekommt - bei jeder Debatte ist ein Juror anwesend, der die Redebeiträge nach einem Punktekatalog bewertet. Und da geht es nicht nur um die Argumente an sich, sondern auch um das Auftreten, die Gestik oder die Sprachkraft", sagt Kira, die als "alte Häsin" diese Aufgabe mittlerweile selbst übernimmt. Daneben bereitet sie gerade eine Debattierveranstaltung vor, die für viele Clubmitglieder die Krönung des Jahres darstellt: die ZEIT-Debatte, die vom 11. bis 13. Januar unter der Schirmherrschaft von Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit stattfinden wird.

Über 120 Teilnehmer aus Deutschland, Österreich und der Schweiz werden zu diesem Großereignis erwartet, bei dessen Finale die Debattierer echte Politikluft im Hamburger Rathaus schnuppern können. Kira selbst will zwar nicht in die Politik, "aber das Debattieren hat mir viel mehr Selbstbewusstsein und ein besseres Standing beispielsweise bei Meetings in meinem vorherigen dualen Studium gebracht. Gerade als Frau ist das schon wichtig", sagt die Studentin, die sich freut, dass im Hamburger Debattierclub das Geschlechterverhältnis ziemlich ausgeglichen ist - "das ist leider noch nicht in allen Debattierclubs so".

Um Praxisluft, rhetorische und fachliche Kunstfertigkeit geht es auch bei den Moot Courts, simulierten Gerichtsverhandlungen über reale Fälle. "Das Ziel ist, im Team schwierige Fälle zu bearbeiten und Überzeugungskraft zu entwickeln", sagt Prof. Dr. Arndt Schmehl, Professor für Öffentliches Recht, Finanz- und Steuerrecht und ehemals Studiendekan der juristischen Fakultät. "Die Teilnehmenden sind Studierende, die Rolle des Richters übernehmen oft Experten aus der Praxis, das sind beispielsweise Richter, die sich in diesem Rahmen ehrenamtlich engagieren." Die klassische Form des Moot Courts ist ein Wettbewerb, in dem die Teams verschiedener Fakultäten gegeneinander antreten. Und diese Wettbewerbe sind nicht auf Hamburg oder Deutschland beschränkt: "Unsere Studierenden beteiligen sich auch an einem der größten und prestigeträchtigsten internationalen Wettbewerbe, dem Willem C. Vis International Commercial Arbitration Moot mit Schwerpunkt auf dem Uno-Kaufrecht und der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit", erklärt Schmehl. Dieser Wettbewerb wird auch als "Olympics of International Trade Law" angesehen - 250 Rechtsfakultäten aus mehr als 60 Ländern nehmen an ihm teil. Seit 2007 ist auch jeweils ein Team der Universität Hamburg unter Betreuung von Professorin Dr. Bettina Heiderhoff dabei, das für den Moot Court schon nach New York, Wien und Singapur gereist ist und zweimal den dritten Platz in der Weltkonkurrenz errungen hat. "Dieser Moot Court ist keine reine Freizeitbeschäftigung - dafür ist er zu anspruchsvoll", sagt Schmehl. Die Mitwirkung wird daher als Studienleistung angerechnet.

Allen Moot Courts gemein ist die Kombination aus wissenschaftlicher Arbeit, praktischer Übung und Teamarbeit - "das fördert also die Studienqualität enorm", sagt Schmehl. Dem kann Ina Knop, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, nur beipflichten. "Gerade die Praxis kommt im Jurastudium viel zu kurz", sagt die Doktorandin, die ein ehrgeiziges Projekt auf die Beine stellt: die Law Clinic Social Media.

"Die Idee der Law Clinics kommt aus den USA - dort beraten Studierende in diesem Rahmen Bürger, die sich eine reguläre Rechtsberatung nicht leisten können", erklärt Knop. Nach diesem Prinzip soll auch die Hamburger Law Clinic funktionieren - mit Schwerpunkt auf Fragen zum Web 2.0, einem Bereich, "der immer wichtiger wird, weil sich die reale Welt auch immer mehr ins Internet verlagert", sagt Knop. "Wir können mit der Law Clinic natürlich keine rechtssichere Beratung bieten, aber den Fragenden auf jeden Fall rechtliche Anhaltspunkte mitgeben", sagt Knop. Und die Studierenden lernen neben den fachlichen Finessen rund ums Web 2.0, wie man mit Klienten umgeht - "das ist eine Fähigkeit, die oft unterschätzt wird". Neben der Law Clinic, die im Wintersemester 2012/13 startet, betreut die wissenschaftliche Mitarbeiterin auch den Monroe E. Price Media Law Moot Court, einen internationalen Wettbewerb mit den Schwerpunkten Information und Kommunikation.

Vom internationalen Recht zur internationalen Politik muss man ein paar Stationen mit dem Bus fahren, bis man am Schlump und damit beim Zentrum für Naturwissenschaft und Friedensforschung angekommen ist. Hier gründeten 2007 die Physikstudenten Frederik Postelt, Malte Göttsche und Sarah von Kaminietz das Projekt "Model United Nations" (MUN), bei dem Studierende aller Fachrichtungen im Rahmen eines Seminars zu einer aktuellen Konferenz der verschiedenen Uno-Gremien reisen, um sie später in einer Simulation nachzuspielen.

"Unsere Themen verbinden Politik und Naturwissenschaft", sagt Simon Hebel, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Seminarleiter. "Bei den Debatten geht es beispielsweise um die Verbreitung von Biowaffen oder die atomare Aufrüstung im Iran." Das Herzstück des Seminars ist die Reise zu der jeweiligen Konferenz.

Spannende Themen haben sich auch die Mitstreiter von "oikos" auf die Fahne geschrieben. Die Studentenorganisation beschäftigt sich aktuell mit einem Nachhaltigkeitsbericht für die Universität Hamburg.