Familiengeschichte der von Wedels ist so alt wie die ihrer Heimatstadt. Adelsfamilie setzt nach 800 Jahren der Zusammengehörigkeit ein Denkmal

Wedel. "Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht", besagt ein altes Sprichwort. Vita von Wedel weiß sehr genau, woher sie stammt. Weit hat sie es nicht, wenn sie zu den Ursprüngen ihrer Jahrhunderte alten Familiengeschichte reisen will. Knapp zwölf Minuten dauert die Autofahrt von ihrem Zuhause in Schenefeld bis nach Wedel. Dort lebten bereits vor 800 Jahren ihre Verwandten Heinricus, Hasso und Reimbernus de Wedele. Die 57-Jährige entstammt dem alten Adelsgeschlecht der von Wedels. Ihre Vorfahren herrschten über den Ort an der Elbe, dessen Name die weit verzweigte Familie bis heute trägt.

An die gemeinsame Vergangenheit erinnert jetzt ein Stein, der vor kurzem im Ristgarten an der Schulauer Straße aufgestellt wurde. Das Denkmal stiftete die Gründerfamilie ihrer Heimatstadt passend zum Jubiläumsjahr. "Es soll zum einen an das 800-jährige Bestehen der Stadt gedenken, zum anderen auch die Familie an ihre Wurzeln erinnern", sagt Vita von Wedel. Um sich darauf zu besinnen, wo sie herkommen, verlagerten die von Wedels ihr traditionelles Familientreffen diesmal auch in die Rolandstadt. Etwa 160 Nachkommen versammelten sich in Wedel. Sie weihten das Denkmal ein, besichtigten die Stadt, lauschten einem Vortrag des Lokalhistorikers Günther Bock über ihre Herkunftsgeschichte und tanzten im Schulauer Fährhaus beim obligatorischen Familienball.

Der gemeinsame Tag hat Tradition. Adel verbindet - zumindest in diesem Fall. Die von Wedels pflegen intensiv den Familienzusammenhalt und das Wissen um ihre Wurzeln. So haben sie ein Archiv, das ein Familienmitglied ehrenamtlich pflegt und verwaltet. Pro Jahr zahlt jeder einen Obolus in die Familienkasse ein. Daraus werden Anschaffungen, Veranstaltungen und Stiftungen wie die in Wedel finanziert. Ähnlich einem Verein gibt es eine Art Satzung. Die Verwandten bestimmen zudem einen aus ihrer Mitte zum Vorsitzenden. Vor einigen Jahren hatte die Mutter von Vita von Wedel diesen Job noch inne. Zwölf Jahre lang managte sie den Verbund.

Auch die Schenefelderin hat eine Aufgabe übernommen. Die Kunsthistorikerin und Journalistin, die ein Jahr lang im Ernst-Barlach-Geburtshaus in Wedel lebte, erstellt die Familienzeitung. Darin sind neben Berichten über aktuelle Veranstaltungen wie den Familientag auch Anekdoten aus der langjährigen Geschichte aufgeführt. Denn in 800 Jahren haben die zahlreichen von Wedels so einiges geschaffen und verbrochen.

Über die Dynastie gibt es deshalb auch ein Buch, das demnächst um ein weiteres innerhalb der Familie sehr umstrittenes Kapitel ergänzt wird. Es geht dabei um die Rolle der von Wedels während der Herrschaft der Nationalsozialisten. Das ist für die Familie ein sehr heikles Thema. Es gab Auseinandersetzungen um die Frage, ob die Familie diesen Teil der Vergangenheit nicht lieber ruhen lassen sollte oder ihn eben gerade aufarbeiten muss, berichtet Henning von Wedel. Der Hamburger organisierte den Familientag mit und befasst sich intensiv mit der Verwandtschaftsgeschichte. "Bislang wurde dieses Thema ausgeblendet. Man redet nicht gern darüber, dass es auch Parteiobere gab", sagt Henning von Wedel. Seine Cousine ergänzt: "Das ist totgeschwiegen worden. Dementsprechend hat sich die Familie auch schwer mit der Aufarbeitung getan. Die Entstehung dieses Buches war für manchen schmerzhaft."

30 Seiten soll das neue Kapitel umfassen. Sechs Schicksale werden erzählt. Darunter ist ein Gauleiter genauso wie ein Widerstandskämpfer. Wann das Buch veröffentlicht wird, steht noch nicht fest. Derzeit kämpft die Familie um ein Vorwort, mit dem sich alle identifizieren können. Bislang war das Buch "Die Wedel in acht Jahrhunderten. Aus der Geschichte eines alten Geschlechts" 100 Seiten stark. Es umreißt wie sich aus den Wedeler Anfängen eine der ältesten Dynastien Deutschlands entwickelte. Von ihrer Heimatstadt zog es die von Wedels, deren Ursprünge in Storman vermutet werden, in alle Richtungen. Sie besaßen zahlreiche Ländereien rund um Hamburg, breiteten sich gen Osten aus. Im Besitz der Familie waren unter anderem Städte und Schlösser wie die Küstrin, Falkenburg, Schievelbein, Neu-Wedel, Kallies, Reetz, Nörenberg. Neben dem polnischen Zweig gibt es noch zwei weitere Linien: eine dänische, die den Namen "von Wedell-Wedellsborg" trägt und 1672 in den dänischen Grafenstand erhoben wurde, und ein Zeig der seit dem frühen 18. Jahrhundert in Ostfriesland ansässig ist.

Graf Georg von Wedel, in dessen Besitz Schloss Gördens ist, kam auch zum Familientag in Wedel. Überhaupt reisten die von Wedels aus Polen, Belgien, Dänemark und den USA an die Elbe. Unter den 160 von Wedels war an diesem Familientag auch Hedda von Wedel. Die Juristin und Christdemokratin war unter anderem Präsidentin des Bundesrechnungshofes und Mitglied des Europäischen Rechnungshofes. Zudem beauftragte Bundeskanzler Gerhard Schröder sie nach dem ersten BSE-Fall im Jahr 2000 mit einer Schwachstellenanalyse zur Lebensmittelsicherheit. Auf ihre erfolgreiche Verwandte sind Vita und Henning von Wedel sichtlich stolz.

Trotz Archivar und Pflege ihres Verwandtschaftsbundes gibt es noch ein Geheimnis ihrer früheren Geschichte, dass die Familie bislang nicht lüften konnte. Entstammt der deutsche Regisseur und Drehbuchautor Dietrich Wedel auch aus dem Adelsgeschlecht? Es finden sich durchaus Hinweise darauf, dass er sein "von" abgelegt hat. Allerdings hat er bereits öffentlich bestritten einen Titel zu haben. Auf eine schriftliche Anfrage von Vita von Wedel meldete sich der gebürtige Frankfurter nie. Sie findet das schade: "Wir als Familie wüssten einfach nur gern, wer zu uns gehört. Das beinhaltet auch keine Verpflichtungen."