Andy Stanton und David Tazzyman feiern in “Mr Gum und der fettige Ingo“ ein Fest der ungewaschenen Fantasie

Der große Harry Rowohlt hat einen Status, den man so einigen seiner mausarmen Übersetzerkollegen genauso wünschen würde: Er ist ein Star seiner Zunft. Und wenn dieser eigenwillige Star sich herbeilässt, ein Kinderbuch vom Englischen ins Deutsche zu übertragen - und, nebenbei, gleich noch auf das Allerköstlichste als Hörbuch einzusprechen - dann kann man sich darauf verlassen, dass es nicht eins der vielen Fließbandprodukte ist, die die Grabbeltische unserer Buchhandelsketten fluten und deren Handlung man schon herunterbeten kann, wenn man nur den Umschlag sieht.

Nein, "Mr Gum und der fettige Ingo" ist ein Solitär. Nicht anbiedernd, nicht moralisierend, fern vom Anspruch, die biedere bürgerliche Gegenwart abzubilden, in der die jungen Leser aufwachsen. Der Autor Andy Stanton und der Illustrator David Tazzyman, beide offenkundig Briten mit ausgeprägtem Hang zum Absurden, schlagen eine Kapriole nach der anderen. Die haarsträubendsten Bilder und Metaphern findet Stanton, er - oder ist es sein Erzähler? - verrennt sich, merkt es gleich darauf und kommentiert das, indem er sich direkt an den Leser wendet.

Die Materie könnte vorlesende Erwachsene eher abstoßen - und es gibt eine ganze Menge von dieser Materie.

Döner, Hühnerkeulen und Buletten kommen vor, allerdings nicht unbedingt besonders appetitliche Exemplare. Es krabbeln die Fliegen, es klumpt die Sauce und tropft das Fett; jede Seite des Buchs trägt die Abdrücke ungewaschener Finger. Also genau das, was Kinder lieben.

In dieses erstaunliche Setting pflanzt Stanton eine schlichte, herrlich kindgerechte Geschichte: Ein Mann - Mr Gum - wird seinem Freund untreu, dem entsetzlichen Schlachtermeister Willi Wilhelm dem Dritten, bei dem er allfreitäglich einkehrte.

Willi ertappt ihn in "Ingo Fettig's Schlabberkate". Worauf er, von Eifersucht und Selbstmitleid übermannt, einen Rachefeldzug anzettelt.

So geht Eskalation: Der eine pflanzt Maiskörner, der nächste meuchelt die geliebten Hausfliegen und so fort - bis die Innereien, Schafsknochen und Schweineschädel nur so fliegen und sich ein wahrer Krieg entspinnt, der nur dank der List eines schlauen kleinen Mädchens sein Ende findet.

Es geht also im Kern um die ganz großen Gefühle und wie man mit ihnen zurechtkommt. Doch auf dem Weg feiern Stanton und Tazzyman ein lustvoll-maßloses Fest der Fantasie - befeuert von Rowohlts Sprachwitz. Da spotzelt und patschquatscht es, dass Kinder ihre helle Freude an soviel Lautmalerei haben dürften. Die Großen auch?

Andy Stanton & Harry Rowohlt 15.9., 15 Uhr, Imperial-Theater. Tickets zu 6Euro (Kinder), 8 Euro (Erwachsene) unter T. 30 30 98 98. Ab 7 Jahren