Anthony McCarten löst in “Ganz normale Helden“ die reale Welt im Virtuellen auf

Im Grunde war es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Autor dieser Aufgabe annehmen würde: einen Roman zu schreiben, in dem das reale und das virtuelle Leben zu einem so undurchdringlichen Netz werden, dass man sich beim Navigieren durch die Geschichte irgendwann fragt: Ist das jetzt echt? Oder im Spiel? Wer spielt hier welche Rolle?

"Ganz normale Helden" ist so ein Buch. Es erzählt die Geschichte einer scheiternden Ehe und eines verlorenen Sohnes, Donald Delpe, der jüngere zweier Söhne, ist an Krebs gestorben, und jedes Familienmitglied geht anders mit seiner Trauer um. Renata, Anfang 40, die Unverstandene, holt sich auf einer katholischen Website Rat und Trost eines Unbekannten mit dem Nicknamen "Gott". Jim, der Unveränderliche, der sich in die Tiefen eines Computerspiels stürzt, um wenigstens dort dem Sohn nahe zu sein, den er noch hat. Und schließlich Jeff, der Untröstliche, der sich den Eltern entzieht, wo er nur kann und Kurznachrichten an seinen toten Bruder schickt - auf der Suche nach der einen, bedingungslosen Liebe, die wohl nur Geschwister teilen.

Manchmal liegt das wahre Leben nur noch wie eine Schablone auf dem digital erzeugten, das sind die gespenstischen Momente dieses Romans. Und manchmal zieht Anthony McCarten den Boden unter dieser Schablone einfach weg - da ist er gnadenlos (und gnadenlos gut). "Ganz normale Helden" ist der vierte Roman des Neuseeländers McCarten, Jahrgang 1961. Die Vorgeschichte gibt es derzeit im Kino zu sehen: "Am Ende eines viel zu kurzen Tages" basiert auf McCartens preisgekröntem Roman "Superhero".

Anthony McCarten mit Charly Hübner (deutscher Text), 12.9., 21 Uhr, Cap San Diego, Überseebrücke. Tickets zu 14 Euro unter T. 30 30 98 98.