Albert Watsons Fotografien haben eine stille Wucht - ob Glamour oder Afrikaporträt

Albert Watson hat in seinem Leben als Fotograf kaum etwas ausgelassen. Er porträtierte Stars wie Jack Nicholson, Alfred Hitchcock, Mick Jagger oder Grace Jones, schuf Hunderte von Titelbildern für Magazine wie "Vogue" oder den "Rolling Stone", drehte mehr als 200 Werbefilme, kreierte Filmplakate und entwickelte Kampagnen für Labels wie Prada oder Chanel. Damit nicht genug, verfolgt er auch eigene Projekte. Anstelle von Fashion und Celebrity treten dann eindringliche Landschaftsaufnahmen oder Stillleben.

Eine beeindruckende Vielfalt kennzeichnet das Schaffen des 1942 in Schottland geborenen und heute in New York lebenden Fotografen. Seine Neugier führt ihn oft auf unbekanntes Terrain. Als die Initiative Cotton made in Africa anfragte, sagte er sofort zu und machte sich auf die Reise nach Benin, um dort Baumwollbauern zu porträtieren. Auf ein Honorar verzichtete er.

Diese Aufnahmen, entstanden im Dezember 2011, bilden das Herzstück der Ausstellung "Albert Watson: Visions feat. Cotton made in Africa" im Hamburger Haus der Photographie und werden hier erstmals präsentiert. 40 großformatige Aufnahmen zeigen Porträts der Menschen, und es ist augenscheinlich, dass Watson sich ihnen fotografisch genauso genähert hat wie früher den Stars. Auf eine Sozialreportage verzichtet er jedenfalls und rückt dafür die Gesichter, ihre Würde und Anmut ins richtige Licht.

Eingerahmt werden die Bilder von einer umfangreichen Werkschau, die neben bekannten Arbeiten auch bisher nie gezeigtes Vintage- und Polaroidmaterial präsentieren. Zu sehen sind natürlich die Fashion- und Celebrity-Fotografien, hinzu kommen Aufnahmen von Reisen nach Las Vegas und nach Marokko und, erstmals ausgestellt, Bilder von einem Rodeo in Calgary aus dem Jahr 1977. Jede Serie hat ihren eigenen Raum, auch die Videos, die Albert Watson über die Sängerin Sade Adu gemacht hat. 300 Werke dieses herausragenden Fotografen werden gezeigt.

Die Schau in den Deichtorhallen versucht nach unzähligen Watson-Ausstellungen eine neue Annäherung an sein Gesamtwerk."Statt ausschließlich großformatige Abzüge zu präsentieren, rücken wir Material aus der Entstehungszeit in den Mittelpunkt und versuchen das Prozesshafte in seiner Fotografie offenzulegen", sagt Kurator Ingo Taubhorn. Anhand von Polaroids, Kontaktbögen, Entwurfsskizzen und Vintage-Abzügen, die Watson selbst in der Dunkelkammer angefertigt hat, bekommen Besucher Einblick in die Entstehung einzelner Fotos. "Damit richtet sich der Blick weniger auf die Stilvielfalt als vielmehr auf das einzelne Bild in seiner Vollendung. Es entsteht ein aktiver Dialog des Betrachters mit Watsons künstlerischer Strategie", erklärt Taubhorn.

Gleichzeitig lassen sich Bezüge einzelner Werkgruppen zu den neuen Benin-Bildern herstellen. Seine Art, Menschen zu porträtieren, macht keinen Unterschied zwischen Arm und Reich. Eigen ist diesen Aufnahmen eine ruhige Geschlossenheit, die die Aufmerksamkeit ganz auf den Blick, die Körperhaltung, das Wesen der Personen richtet. Auf diese Weise vermitteln Watsons Aufnahmen eine stille Wucht.

Bevor Albert Watson im Jahr 1970 in die USA übersiedelte, studierte er in Dundee Grafikdesign, gefolgt von einem Filmstudium am London Royal College of Art. In den USA erhielt er die Chance, seinen Lebensunterhalt mit der Fotografie zu verdienen. Seitdem, so sagt er, hat er wohl zehn Millionen Fotos gemacht. Geblieben ist der grafische Stil, die Betonung der Linien und der Kontraste.

Für das Benin-Projekt bereiste Albert Watson zwei Wochen lang das Land, von der Wüste bis an die Strände. Neben den Baumwollbauern besuchte er auch traditionelle Märkte, das Peuhl-Volk und einen regionalen König. Seine Aufnahmen geben ein breit gefächertes Bild der Menschen und des Landes wieder. Gerade die Fremdheit, die manchmal für ihn sogar surreale Züge annahm, faszinierte den Fotografen. "Es war eine wundervolle Zeit", sagt er. " Ich hatte das Gefühl, etwas völlig Neues zu vollbringen."

Mit Offenheit und Respekt machte sich Watson an die Arbeit, was seine Fotografien deutlich spiegeln. Ebenso seinen Eindruck von der Vitalität und Energie der Menschen. "Die Lebendigkeit der Leute und ihre offensichtliche Fröhlichkeit haben mich überrascht, da sie kein einfaches Leben führen. Deshalb finde ich Cotton made in Africa so großartig." Das Aid-by-Trade-Projekt, unterstützt zum Beispiel vom Hamburger Unternehmer Michael Otto und von Tom Tailor, hat das Ziel, die Lebensbedingungen von afrikanischen Kleinbauern zu verbessern. Dazu kauft eine Allianz von Textilunternehmern die Baumwolle ein und verarbeitet sie weiter. Im vergangenen Jahr kamen 15 Millionen Textilien aus Cotton made in Africa in den Handel.

Albert Watson: Visions feat. Cotton made in Africa 14.9. bis 6.1., Haus der Photographie/Deichtorhallen, Deichtorstraße 1-2, Di-So 11.00-18.00, jeden ersten Do im Monat 11.00-21.00