In der umfangreichen Hamburgensien-Sammlung von Ebba Tesdorpf bleibt die Vergangenheit lebendig

Um uns ein Bild von der Vergangenheit Hamburgs zu machen, brauchen wir Darstellungen aus dieser Zeit. Das klingt einleuchtend, ist aber nicht ohne Weiteres umsetzbar. Denn erst der Prozess der Digitalisierung macht diese Bilder für jeden verfügbar und sichert sie dauerhaft. Papier verbrennt, zerfällt, zerreißt und geht verloren, verweht oder verschwindet einfach, wenn Großmutters Keller ausgemistet wird.

Das Museum für Hamburgische Geschichte sichert zur Zeit in seinem Digitalisierungsprojekt "Das alte Hamburg Online" die äußerst umfangreiche Hamburgensien-Sammlung der Künstlerin Ebba Tesdorpf (1851-1920). Neben 600 eigenen Arbeiten umfasst ihre Sammlung rund 5000 Grafiken, Drucke, Aquarelle und Dokumente von großer historischer und kunsthistorischer Bedeutung. In ihrer Sammlerleidenschaft konzentrierte sich Tesdorpf vor allem auf die Werke von Künstlern aus Hamburg und Norddeutschland sowie Motive der Hansestadt.

Tesdorpf war eine außergewöhnliche Frau. Schon als junges Mädchen entschied sich die Tochter einer gutbürgerlichen Hamburger Kaufmannsfamilie, ihr Leben der Kunst zu widmen. Sie brach mit den strengen Konventionen ihrer Zeit und eckte auch bei so manchem Verwandten an - gleich zwei männliche Vorfahren waren Bürgermeister von Lübeck.

Um in Hamburgs Straßen ganz authentisch malen zu können und völlig frei in den verwinkelten, schmalen Gassen das Leben der Bürger zu dokumentieren, hüllte sich Tesdorpf in zerschlissene Kleider. Die Hinterhöfe und Kanäle der Altstadt zählten ebenso zu ihren Motiven wie der Segelschiffhafen oder die Prunkbauten des großstädtischen Bürgertums. In ihren eigenen Bildern schuf die talentierte Zeichnerin Werke, die aus ungewöhnlichen Perspektiven das alltägliche Leben der Hansestadt festhielten und manch persönlichen Blick erlauben, den die Geschichtsbücher nicht bieten.

Vor allem aber war Ebba Tesdorpf eine besondere Gabe zu eigen: ein Verantwortungsgefühl für eine Erinnerungskultur. Und so versucht nun das Digitalisierungsprojekt des Museums ihr sammlerisches Lebenswerk zurück in das Bewusstsein der Hansestadt zu holen. Die Werke aus ihrer Sammlung werden derzeit wissenschaftlich untersucht, bewertet, fotografisch dokumentiert und anschließend über verschiedene Internetplattformen der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt, damit die Erinnerungen der letzten drei Jahrhunderte nicht einfach verblassen.

Digitalisierungsprojekt: Das Alte Hamburg Online Museum für Hamburgische Geschichte, Holstenwall 24, Di-Sa 10.00-17.00, So 10.00-18.00