Wie das neue Museumsquartier St. Annen Geschichte zum Erlebnis machen soll

In der Lübecker Altstadt entsteht in diesen Monaten das Museumsquartier St. Annen, das einen völlig neuen Blick auf die Geschichte der Hansestadt und ihre Sammlungen eröffnen soll. Wir fragten Hans Wißkirchen, Leiter Direktor Lübecker Museen.

Hamburger Abendblatt:

Wie kann man sich das neue Museumsquartier vorstellen?

Prof. Hans Wißkirchen:

Das St. Annenkloster gibt es seit fast 500 Jahren, seit ungefähr 100 Jahren besteht das St.-Annen-Museum, und seit zehn Jahren gibt es im Bereich der ehemaligen Klosterkirche die Kunsthalle St. Annen. Diese Verbindung von Alt und Neu werden wir künftig noch verstärken, indem wir das neue Museumsquartier St. Annen gründen, das über 4000 Quadratmeter Museumswelt umfassen wird.

Aber die Museen gibt es bereits.

Wißkirchen:

Das stimmt, aber dieses Schatzhaus Lübecks wird viel zu wenig wahrgenommen, denn es liegt ein wenig abseits der Hauptlaufwege. Jetzt gestalten wir eine komplett neue Ausstellung, die vom späten Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert reicht.

Handelt es sich um eine rein stadtgeschichtliche Ausstellung?

Wißkirchen:

Nein! Es gibt eine große Anzahl von herausragenden Kunstwerken zu sehen, und dann gilt: Lübecks Kultur- und Stadtgeschichte war bis in die frühe Neuzeit zugleich Staatsgeschichte und darüber hinaus große europäische Geschichte. Und das zeigen wir in 25 völlig neu gestalteten Museumsräumen. Außerdem gibt es einen integrierten Audioguide. Auf der Tour wird eine Geschichte erzählt, in der es um bedeutende und unbekannte Persönlichkeiten und Schicksale aus fünf Jahrhunderten geht. Ein abschließender, knapp 100 Quadratmeter großer Raum stellt eine Zeitschleuse dar. Dort werden keine Exponate zu sehen sein, sondern moderne Medien, mit deren Hilfe sich der Besucher zusätzlich informieren kann.

Gibt es spezielle Angebote für Kinder und Jugendliche?

Wißkirchen:

Ja, einen neuen Raum mit knapp 200 Quadratmetern, in dem nicht nur unsere bedeutende Spielzeugsammlung zu sehen ist, sondern die zentralen Themen des Museums so dargestellt sind, dass Kinder und Jugendliche sie interessant finden.

Welche Rolle werden Sonderausstellungen künftig spielen?

Wißkirchen:

Ein sehr große, denn wir bekommen drei neue Sonderausstellungsräume mit etwa 300 Quadratmetern Fläche, die unsere Möglichkeiten für thematische Sonderschauen deutlich verbessern werden. Insgesamt verbauen wir 2,5 Millionen Euro.

Und woher kommt das Geld?

Wißkirchen:

Die Hansestadt Lübeck bezahlt nur die Grundkosten, alles andere haben wir eingeworben. Es gibt auch Bundesmittel, vor allem haben sich aber die Stiftungen und die Bürger der Stadt engagiert. Das passt sehr gut, denn die Sammlung besteht fast ausschließlich aus Stiftungen und Schenkungen der Lübecker Bürger.

Gibt es ein Objekt, das Sie besonders herausstellen?

Wißkirchen:

Einerseits natürlich den berühmten Memling-Altar, der ein absolutes Spitzenstück ist und auch entsprechend in einem eigenen Raum präsentiert wird. Wir haben aber einen zweiten herausragenden Altar von Jakob von Utrecht erwerben können, der in den 1520er-Jahren entstanden ist und eine bewegte Geschichte hat.

Er verließ die Stadt in den Wirren der Reformationszeit und konnte jetzt bei Christie's für uns ersteigert werden. Es ist schon eine Besonderheit, wenn etwas, das aus Lübeck stammt und nach Lübeck gehört, dann tatsächlich nach Jahrhunderten den Weg zurück findet. Der Altar wird in der neuen Ausstellung erstmals gezeigt. Überhaupt ist unsere Sammlung von spätmittelalterlichen Altären bundesweit einmalig. Es ist auch ein Glücksfall, dass wir diese bedeutenden sakralen Kunstwerke in den sakralen Räumen des St. Annenklosters zeigen und auf diese Weise eine Einheit von Objekt und Ort erreichen. Die Klosteratmosphäre ist im Erdgeschoss noch präsent, und sie wird nach der Neueröffnung noch viel stärker zu spüren sein.

Wann werden Sie eröffnen?

Wißkirchen:

Anfang nächsten Jahres.