Der HSV geht der härtesten Saison seiner Geschichte entgegen - aber keiner merkt's

Jubel, Trubel, Sorgenfalten. Die Bundesliga feiert den 50. Geburtstag, der HSV sieht seinem 125. Gründungstag entgegen, doch die Freude über diese Feierlichkeiten an der Elbe ist nach dem bitteren Pokal-Aus in Karlsruhe sehr getrübt. Der schwer angeschlagene und ausgeblutete "Dino" kämpft nach wie vor ums Überleben, das wird auch in der beginnenden Saison nicht anders sein. Dieser personell schwach besetzte HSV geht ganz schweren Zeiten entgegen, es kann nur noch darum gehen, den Sturz in Liga zwei abzuwenden. Das wissen hoffentlich alle. Die neue Bescheidenheit lässt sich am besten mit den verbalen und öffentlichen Träumereien der Verantwortlichen dokumentieren: "Rund um Platz zehn." Platz zehn? Der wäre in der Tat ein Traum!

Wie sich die Zeiten doch ändern. 1963, als die deutsche Elite-Liga startete, hofften die HSV-Fans darauf, dass sich ihr Klub gegen die großmächtige Konkurrenz aus dem Westen behaupten könne. Das geschah, wenn auch mitunter recht holprig. Dann kamen Branko Zebec und Ernst Happel und führten die drei großen Hamburger Buchstaben sogar in die internationale Spitze. Und danach folgten Jahre, in denen der HSV-Anhang nur deshalb zitterte, weil um den Europapokal-Startplatz gebangt wurde. Jetzt aber gibt es kein großes Zittern und auch kein Hoffen mehr, jetzt gibt es nur noch die Angst vor dem Absturz. Das ist auch in der Spielzeit 2012/13 nicht anders.

Die alarmierende Rechnung ist ganz einfach. Stürmer eins ist gegangen, Stürmer zwei auch. Angreifer Nummer drei (oder war er Nummer vier) soll nun Angreifer Nummer eins sein, und der Stürmer, der die Nummer eins und Nummer zwei ersetzen soll, ist nun hinter der bisherigen Nummer drei der Ersatz. Das klingt eventuell ein wenig verwirrend, und das ist es mit Sicherheit auch. Noch nie wurde beim HSV die Offensive, die nun vorhanden ist, so dermaßen überschätzt, wie in diesen Wochen. 35 Treffer gab es in den 34 Spielen der vergangenen Saison, da wurde natürlich über die Angreifer geklagt, geschimpft und gemeckert. Aber wären die anderen Stürmer, die der Klub damals schon unter Vertrag hatte, besser gewesen, dann hätten sie wohl auch gespielt. Sie waren es ganz offensichtlich nicht. Aber sie sollen es jetzt sein. Eine Milchmädchenrechnung?

Wo sind die Hoffnungsträger? Ganz sicher steht jetzt einer davon im Tor. René Adler wird dieser Mannschaft trotz der Vorstellung beim KSC gut tun, denn er übernimmt Verantwortung, ist ein absoluter Teamplayer. Auf dieser Position hat sich der HSV, trotz der guten Saison, die Jaroslav Drobny zuletzt gespielt hat, deutlich verbessert. Zum Wohle eines guten Teamgeistes. In diese Kategorie ist auch der Österreicher Paul Scharner, 32, einzuordnen. Der erfahrene Innenverteidiger hat sich jetzt allerdings schwerer verletzt und wird einige Wochen ausfallen. Ist er fit, so denke ich, wird er dem Team trotz allem helfen können, denn Scharner ist einer, der den Mund aufmacht.

Eckpfeiler werden ganz sicher auch Kapitän Heiko Westermann und Dennis Aogo sein, damit hat sich die Zahl jener Spielertypen, die sich um eine passende Hierarchie bemühen, schon einmal verdoppelt. Vom kroatischen EM-Teilnehmer Milan Badelj ist ebenfalls anzunehmen, dass er sich nicht nur mit einer Mitläuferrolle beim HSV begnügen wird. Und da ja immer noch eine offensive Verstärkung in der Pipeline sein soll, gibt es durchaus Ansätze dafür, zu glauben, dass der HSV in diesem Sommer damit begonnen hat, eine neue und vor allem gute Mannschaft aufzubauen.

Auch das Überlebenstraining in Schweden soll ja ein Erfolg gewesen sein. Ob der HSV das Überleben nun aber wirklich beherrscht, wird sich erst in der kommenden Spielzeit zeigen.