Patchwork-Familien und getrennt lebende Eltern: So kommen an den Festtagen alle zu ihrem Recht

Einschulungen, Konfirmationen, Schulabschlüsse, Adventsfeiern und besonders - Weihnachten: Für Patchwork-Familien und getrennt lebende Eltern sind Familienfeste oft eine Herausforderung. Der Diplompsychologe Christoph Haberer von der evangelischen Beratungsstelle Stormarn kennt dieses Problem aus seiner langjährigen Praxis. Er stellt sich klar auf die Seite der Kinder. Für sie sollen die Feste zu schönen Ereignissen werden. Dafür müssen Eltern auch mal über ihren Schatten springen können.

1. Warum wird Weihnachten oft zum Problem für getrennt lebende Eltern?

Christoph Haberer:

Weihnachten ist per se schon ein emotional hoch aufgeladenes Fest, verbunden mit vielen Wünschen. Entsprechend hoch ist die Gefahr der Enttäuschung. Ein Elternteil oder beide Eltern haben in der Regel eine Trennung hinter sich.

Gibt es eine neue Familie, soll alles besser werden, hier soll endlich das Glück entstehen, das sich alle wünschen. Dazu kommen noch die Ansprüche der Großeltern, die ihre Kinder und Enkelkinder möglichst zu Weihnachten sehen wollen.

Außerdem zeichnen sich Patchwork-Familien auch dadurch aus, dass Kinder aus verschiedenen Beziehungen ständig oder zeitweise miteinander leben, aber immer wieder die Familie verlassen, um beim anderen Elternteil zu sein. Das führt zu immer wechselnden Konstellationen am Familientisch, die es schwierig machen, ein durchgängiges Familienleben mit klaren Strukturen zu führen.

Zu Weihnachten werden viele Probleme offenkundig. Oder kurz gesagt: Was das ganze Jahr über nicht klappt, klappt auch zu Weihnachten nicht. Das bezieht sich auf Absprachen mit dem anderen Elternteil, aber auch auf den Umgang mit Regeln, die für die Kinder gelten.

2. Was sollten Eltern an den Festtagen beachten?

Haberer:

Grundsätzlich sollten Eltern sich darüber im Klaren sein, dass Weihnachten eine besonders schwierige Zeit sein kann - auch für den anderen Elternteil.

Oft zeigt sich gerade zu Weihnachten deutlich die Realität der Trennung und der neuen Konstellation. Das kann sehr schmerzlich sein und darauf sollten Eltern eingestellt sein - nicht alle leben ja in einer neuen Partnerschaft.

3. Wie können Eltern ihren Kindern helfen, mit der Situation gut umzugehen?

Haberer:

Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass Kinder Menschen sind, die Schutz und Verständnis brauchen, und nicht Gegenstände, die zwischen A, B und C hin- und hergefahren werden. Das klingt banal, wird aber oft in dem Glauben ignoriert, den Kindern etwas Gutes zu tun. Kinder empfinden häufig einen Loyalitätskonflikt. Sie fühlen sich schlecht oder gar schuldig, wenn ein Elternteil zum Beispiel Heiligabend allein sein muss.

Deshalb ist es wichtig, dass die Eltern ihren Kindern sagen können "wir haben das gemeinsam beschlossen".

Ältere Kinder sollten unbedingt in die Planung der Feiertage einbezogen werden.

4. Thema Geschenke. Liegt darin auch ein Konfliktpotenzial?

Haberer:

Die Familien sollten sich möglichst vorher schon über die Geschenke austauschen. Zum einen, weil dadurch vermieden werden kann, dass ein Kind ein Geschenk mit nach Hause bringt, das dort total abgelehnt wird, zum anderen, weil Eltern sich im Kampf um die Gunst der Kinder nicht gegenseitig übertrumpfen sollten.

Bringt ein Kind aber ein Geschenk mit, das auf Kritik stößt, sollte das nicht mit dem Kind ausgetragen werden. Das Kind freut sich wahrscheinlich und diese Freude sollte man ihm lassen. Grundsätzlich sollten aber die Regeln der jeweiligen Familie respektiert und besprochen werden. Ein klassisches Beispiel sind Computerspiele.

5. Wie kann man den Besuchswünschen aller gerecht werden?

Haberer:

Familien sollten sich zu Weihnachten nicht überfordern. Das gilt übrigens für alle Familien! Das Ziel sollte nicht die logistische Meisterleistung mit getakteten Besuchen sein. Wichtig ist, Zeit füreinander zu haben, Zeit, sich auf das Fest zu besinnen. Und wenn es nicht anders geht, dann muss man den Großeltern auch einmal zumuten, die Enkel am Wochenende nach Weihnachten zu sehen.

Dass die Kinder an Heiligabend da sein müssen, ist oft das Anliegen der Eltern, die es - verständlicherweise - nur schwer aushalten können, an diesem so hoch besetzten Fest ihre Kinder nicht bei sich zu haben.

Kinder dagegen können ganz gut damit leben, wenn sie zweimal oder öfter Weihnachten feiern, wenn sie sicher sein können, dass die Erwachsenen das gut geklärt haben.

Wenn die Kinder im Blick sind und die Eltern versuchen, Weihnachten für ihre Kinder zu einem schönen Fest zu machen, und dabei von eigenen Wünschen Abstand nehmen können, dann kann es eine schöne Familienzeit werden und das Gefühl für die neue gemeinsame Familie stärken.