Die Geburt Christi kann man auch in der Hansestadt nacherleben. Matthias Gretzschel erzählt die Stationen der Heiligen Familie einmal anders, entlang der Kunstwerke in ausgewählten Kirchen der Stadt und der Kunsthalle.

Die Verkündigung an Maria

"Und im sechsten Monat ward der Engel Gabriel gesandt von Gott in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Manne mit Namen Joseph, vom Hause David: und die Jungfrau hieß Maria.

(Markus 1,26/27)

Meistens trägt Maria einen blauen Mantel, denn Blau gilt in der christlichen Symbolik als Farbe des Himmels. Hinter ihr ist der Erzengel Gabriel zu sehen, der der Jungfrau die bevorstehende Geburt ihres Sohnes verkündet. Die Taube in der oberen Ecke symbolisiert den Heiligen Geist, das diagonal gegenüber liegende Einhorn steht für die Jungfräulichkeit. Das Fenster in der Sakristei von St. Johannis in Eppendorf (Ludolfstr. 66) schuf Elisabeth Coester Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Komposition steht in einer langen Tradition: Schon in byzantinischer Zeit war Mariä Verkündigung ein wichtiges Thema. Leonardo da Vinci, El Greco, aber auch Otto Dix haben dieses Motiv gestaltet, das auch in den Bildprogrammen der Glasfenster in den großen gotischen Kathedralen auftaucht. An diesen hat sich Coester bei der Gestaltung des Fensters orientiert, das den Kirchenbesuchern auf Wunsch gezeigt wird.

Christi Geburt im Stall von Bethlehem

"... Und sie gebar ihren ersten Sohn, und wickelte ihn in Windeln, und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge."

(Lk 2,1-19)

Das Christkind liegt nackt auf dem Boden, während ein Engel Marias diesmal rotes Gewand hoch hält, als wolle er das Neugeborene vor dem kühlen Zug in dem windigen Gemäuer schützen, das allerdings gar nicht wie ein Stall anmutet. Anders als auf mittelalterlichen Heiligenbildern wird die Szene nicht mehr auf Goldgrund dargestellt, sondern ist bereits in einen architektonischen Zusammenhang eingebunden. Dieses Weihnachtsgemälde ist Teil des Trinitatisaltars in der Hauptkirche St. Jacobi (Jakobikirchhof 22) aus dem frühen 16. Jahrhunderts. Seit 1959 dient dieser Wandelaltar als Hauptaltar. Als Wandelaltäre bezeichnet man Altäre, deren Flügel sich öffnen und schließen lassen. Im geöffneten Zustand zeigen der Mittelschrein und die Innenseiten der beiden Flügel des Altars kostbare vergoldete Schnitzszenen. Wenn der Altar geschlossen ist, sind die Außenseiten der Flügel mit insgesamt vier gemalten Szenen zu sehen, darunter links unten unsere Weihnachtsdarstellung.

Die Engel kommen zu den Hirten aufs Feld

"... Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht; siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren ..."

(Lk 2,1-19)

Wie der berühmte Grabower Altar der Hamburger Kunsthalle (Glockengießerwall) wird auch der ebenfalls dort gezeigte Buxtehuder Altar Bertram von Minden zugeschrieben. Meister Bertram, der um 1340 im westfälischen Minden geboren wurde und 1414 oder 1415 in Hamburg starb, gilt als einer der bedeutendsten Künstler der deutschen Gotik. Kunsthistoriker gehen davon aus, dass die Darstellung von den Eindrücken einer vorangegangenen Italienreise bestimmt worden ist. Bertram zeigt die Verkündigung an die Hirten so, wie wir es aus der mittelalterlichen Malerei kennen. Zu sehen sind die Engel, die Hirten und ihre Tiere, die etwas merkwürdig anmuten. Bei den Ziegen mit Hängeohren handelt es sich vermutlich um eine Rasse aus Nordafrika, die, damals in Deutschland vermutlich unbekannt, in Italien gezüchtet wurde.

Anbetung der Hirten vor der Krippe

"Und sie kamen eilend, und fanden beide, Maria und Joseph, dazu das Kind in der Krippe liegen. Da sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, welches zu ihnen von diesem Kind gesagt war."

(Lk 2,1-19)

Das ovale Bild in der Hauptkirche St. Petri (Bei der Petrikirche 2) zeigt die Anbetung durch die Hirten in einer bewegten Szene, die der Maler Gottfried Libalt 1649 geschaffen hat. Auffällig an dieser figurenreichen Komposition ist die effektvolle Lichtregie: Das Christuskind, das hier tatsächlich auf einer Strohkrippe liegt, befindet sich im Zentrum des Lichtscheins, der auf Maria, Joseph und die Hirten abstrahlt. Gut erkennbar ist die hölzerne Dachkonstruktion des Stalls, links ist ein Ausblick auf die vorangegangene Verkündigungsszene mit den Hirten zu sehen. Das Gemälde wurde von dem Juristen Philipp Collins gestiftet. Es überstand die Franzosenzeit, als St. Petri zeitweise als Pferdestall genutzt wurde, den Hamburger Brand von 1842, den Zweiten Weltkrieg und 1977 ein Säureattentat. 2001 konnte es mit Unterstützung des Vereins Freunde der Denkmalpflege restauriert werden.

Die drei Weisen bringen Geschenke

"Und sie fanden das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder, und beteten es an, und taten ihre Schätze auf, und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe."

(Mt 2,1-11)

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schuf ein namentlich nicht bekannter Künstler zwei Holzreliefs mit Darstellungen aus der Weihnachtsgeschichte, die 1938 in die Taufe der Bergedorfer St.-Petri-und-Pauli-Kirche (Bergedorfer Schlossstr. 2) einbezogen wurden. Unsere Abbildung zeigt die Anbetung durch die drei Könige. Nach der biblischen Überlieferung sind sie jedoch Weise oder Magier. Die frühbarocke Darstellung zeigt drei Weisen, die dem schon erstaunlich großen Christkind ihre Geschenke überreichen. Anrührend ist die Szene im Zentrum, die einen knienden Weisen zeigt, der dem Christkind ein Gefäß öffnet, das dieses mit sichtlicher Neugier betrachtet. Auch ist der Stall kein schlichter Zweckbau, sondern ein anspruchsvolles Gebäude mit architektonischem Anspruch. Rechts sieht man Ochs und Esel, links oben einen Diener, der eines der Reittiere der orientalischen Besucher am Zügel hält.

Die Heilige Familie flieht vor Herodes nach Ägypten

"... Da erschien der Engel des Herrn dem Joseph im Traum und sprach: Stehe auf und nimm das Kindlein und seine Mutter zu dir und flieh nach Ägypten ... denn es ist Gefahr, dass Herodes das Kindlein sucht, um es umzubringen ..."

(Mt 2.1)

Mehr als 30 Jahre nach der Fertigstellung des Hamburger St.-Marien-Doms (Danziger Str. 60) erhielt der Maler Eduard Goldkuhle den Auftrag für die Ausmalung des neoromanischen Kirchenraums. Zu dem Zyklus großformatiger Wandgemälde gehört auch das Motiv "Flucht nach Ägypten". Das Wandbild, das sich im Querhaus befindet, zeigt die Heilige Familie noch ganz im Stil der Historienmalerei des 19. Jahrhunderts. Eine Palme sorgt für orientalisches Ambiente und die Pyramide macht deutlich, dass die mit dem Kind im Arm auf einem Esel reitende Maria und Joseph bereits ihr Ziel erreicht haben. Das Bild war seit den 1960er-Jahren nicht mehr zu sehen, wurde bei der jüngste Restaurierung des Doms 2007/08 wieder freigelegt, dabei jedoch mit einer farblich nivellierenden Lasur überzogen, sodass es sich in das neue Farbkonzept der Kirche einpasst.