Ein Besuch im Zoo in der Wingst ist in der kalten Jahreszeit ein echter Geheimtipp

Wingst. Vorsichtig nähert sich Bimby dem Leckerbissen, den ihm Zoodirektor Dr. Rüdiger Wandrey hinhält. Immer wieder bleibt der Dingo-Rüde stehen, wittert, schaut sich um, zieht sich noch einmal zurück. Schließlich ist der Appetit doch größer als die Vorsicht, und Wandrey kann demonstrieren, dass der australische Dingo eben doch kein Wild-, sondern ein über Jahrtausende verwildertes Haustier ist, das dem Menschen gelegentlich aus der Hand frisst - wenn auch die beiden Weibchen Niley und Maiya noch deutlich Abstand zum Menschen halten.

Weit weniger zurückhaltend agieren die Tiere im Streichelgehege - für sie ist es selbstverständlich, dass sie von den Besuchern verwöhnt werden. Entsprechend ungehemmt fordern sie ihr Recht in Form von Futter. Doch obwohl der Tierpark auch in der kalten Jahreszeit täglich geöffnet ist, kommen kaum Gäste - die Ziegen, Schafe, Esel und Alpakas im Streichelzoo sind meist unter sich.

Es gebe Tage, an denen fast kein Besucher den Weg zu dem kleinen, aber feinen Tierpark mit fast 500 Tieren in der Wingst findet, sagt Rüdiger Wandrey. Der 63-Jährige leitet den Zoo seit elf Jahren. Dabei lohne sich ein Ausflug zu den Tieren gerade im Winter - diese verhielten sich dann anders als im Sommer: "Es ist ruhiger, die Tiere sind zum Teil gelangweilt, weil ihnen das Fernsehen fehlt", sagt Wandrey. "Das Fernsehen sind für die Tiere die Besucher."

Wer trotzdem herkommt, hat die Möglichkeit, "die Tiere viel natürlicher zu sehen." Und vielfach seien die Tiere wegen des dichten Winterfells jetzt "auch einfach schöner und imposanter", so Wandrey. Als Beispiele nennt er Wölfe, Bären, Tiger und Japanmakaken. Wandreys Fazit: "Wer gern in den Zoo geht, sollte das mindestens zweimal im Jahr tun - im Sommer und im Winter."

Der Rundgang durch den Zoo hält gerade bei niedrigen Temperaturen manche Überraschung bereit. So bei den beliebten Erdmännchen, die in ihrem Gehege ein warmes Plätzchen mit Rotlichtlampe und angewärmtem Fußboden besitzen und sich dort gern präsentieren. "Bei den Erdmännchen ist das nötig, die kämen sonst den ganzen Winter nicht nach draußen", erklärt Wandrey.

Doch der Winter bringt auch andere Aktivitäten mit sich: Um Fördergelder dafür zu bekommen, müssen bis Ende März die Neubauten fertig und abgerechnet sein - im Einzelnen sind dies die neuen Gehege für Dingos und Nordluchse, eine begehbare Affenanlage, eine Papageien-Voliere und zwei kleinere Affen-Volieren. Den Eigenanteil an den Investitionskosten übernimmt der rührige Förderverein des Zoos, der bei vielen noch als "Baby-Zoo" in Erinnerung ist.

Als solcher war der Tierpark vor knapp 40 Jahren von einer Tierhandelsfirma gegründet worden. In Zoos gibt es häufig Junge, die von ihren Müttern nicht angenommen wurden. Viele von ihnen fanden ab 1972 in der Wingst ein neues Zuhause. Die Aufzucht durch Tierpfleger führte zu einem stark auf den Menschen bezogenen Verhalten, viele Tiere ließen sich von den Besuchern streicheln oder sogar auf den Arm nehmen. Das kam zunächst gut an, doch geänderte Gesetze und der Konkurs der Tierhandelsfirma führten dazu, dass der "Baby-Zoo" in seiner ursprünglichen Form als Aufzuchtstation nicht weitergeführt werden konnte. Die Gemeinde Wingst übernahm den Tierpark, und ein neues Konzept wurde entwickelt. "Wir sind ein moderner Zoo, bieten heute ein Vollprogramm mit 476 Tieren und 65 Arten - das ist für so einen kleinen Zoo eine ganze Menge", betont Dr. Wandrey. Und immer wieder gibt es Neues zu sehen. 2007 wurde ein gut zwei Hektar großer Wolfs- und Bärenwald fertig gestellt. Heute leben dort Braunbären und Wölfe fast wie in freier Wildbahn zusammen - was gut funktioniert, wie Wandrey sagt.

Erst seit dem April 2011 sind die drei Dingos Bimby, Niley und Maiya zu sehen. Sie werden, wie auch die anderen Tiere im Wingst-Zoo, am Heiligabend mit besonderen Leckereien verwöhnt. "Richtig gute Sachen, die sie gern mögen", verspricht Rüdiger Wandrey. Auf einer Runde durch den Zoo wird er den Tieren dann ein frohes Fest wünschen, schließlich "bin ich unheimlich sentimental, und Weihnachten ist ein so schönes Fest".

Der Zoo in der Wingst ist täglich ab 10 Uhr geöffnet, im Sommer bis 19 Uhr, im Winter bis 16.30 Uhr, am 24. und 31. Dezember jeweils nur bis 12 Uhr.

www.wingstzoo.de