Das Gros der Bordelaiser Rotweine bietet ausgewogene Tropfen zu attraktiven Preisen - Spekulationsobjekte sind nur wenige Crus Classés

Lassen Sie sich von den horrenden Preisen der besten Crus Classés nicht verschrecken! Nur die Weine der wenigen wirklich weltberühmten Schlösser sind Objekt weltweiter Spekulation. Mehr als 95 Prozent der Bordeaux-Weine werden zu korrekten, oft sogar günstigen Preisen angeboten. Insbesondere in den Appellationen Bordeaux und Bordeaux Supérieur warten zahlreiche Schnäppchen. Sie machen mit einer Fläche von rund 64 000 Hektar mehr als die Hälfte der Gesamtrebfläche des Departments der Gironde aus.

Das Bordelais unterteilen Kenner in die Rive Gauche und die Rive Droite, das linke und das rechte Ufer. Links der Flüsse Garonne und Gironde liegen vor allem die Appellationen der Graves und des Médoc mit den berühmten Crus. Rechts der Dordogne findet man das Libournais mit den Stars von Pomerol und Saint-Emilion. Zwischen diesen beiden Wasserläufen, die der Volksmund großspurig als Meere bezeichnet, erstreckt sich eine weite, wunderschöne, sanft gewellte Landschaft, das Entre-deux-Mers.

In den hübschen Dörfern geht es gemächlich zu. Noch heute stehen dort viele romanische Kirchen. Denn durch das Entre-deux-Mers führten Jakobswege. Hauptziel war die Abtei La Sauve-Majeure, heute eine Ruine bis auf den Glockenturm, von dem man einen reizvollen Blick genießt. Weit im Südosten des Entre-deux-Mers steuerten Pilger die Benediktiner-Abtei von Saint-Ferme an, die sich noch immer imposant über dem Dorf erhebt. Seit mehr als 500 Jahren ist sie Sitz der Familie de Raignac. In den dazu gehörenden Weinbergen wurden früher fast nur weiße Sorten gezogen. "Mein Vater richtete die Produktion auf Rotwein aus", erzählt Arnaud de Reignac. "Die erlaubten Erträge zu erzeugen und die Produktionskosten zu reduzieren, waren seine Hauptanliegen. Die Qualität kam danach, wie bei vielen in jener Zeit. Dagegen ist Qualität mein Hauptziel. Ich habe in höherer Dichte neu gepflanzt und die Erträge reduziert." Mehrere Jahre arbeitete er auf Spitzengütern, um zu lernen, wie man große Weine erzeugt. Das schmeckt man bei seinem Château de l'Abbaye, zumal im grandiosen Jahr 2009.

In puncto Wein steht der Name Entre-deux-Mers ausschließlich für trockene Weiße. Dabei werden zwischen Garonne und Dordogne 40 Prozent aller roten Bordeaux erzeugt. Ganz im Süden des Gebiets, auf der Sonne zugewandten Hängen mit Ton- und Kalkböden, die optimale Reife begünstigen, liest Jean-Luc Cazenave die Trauben des Château de Fiates. Seit vier Generationen befindet es sich in der Familie. Auch er bevorzugt wie die meisten Winzer der Region die Sorte Merlot. Denn sie gibt seinem Wein den Schmelz und die angenehme Frucht. Aber er fügt der Cuvée in echter Bordeaux-Tradition Cabernet Sauvignon und Franc hinzu - für die aromatische Vielfalt und die raffiniertere Struktur.

Stéphan Derenencourt prägt den Bordeaux Château Les Vallées, Teil des Château Vieux Manoir in Targon, durch einen höheren Anteil des eleganten Cabernet Franc. Der gebürtige Normanne, ein Autodidakt in Sachen Wein, ist zu einem international gefragten Berater aufgestiegen. Ihm geht es "um ein ideales Gleichgewicht zwischen dem Boden und der Rebe, Garant einer harmonischen Entwicklung der Pflanze, also ihrer Fähigkeit ihre Früchte zum Reifen zu bringen". Diese zeigt sich in der schönen Cassisnote des Weins. Derenencourt wurde vom Bordelaiser Familienunternehmen Balande engagiert, das im Pazifik zu Reichtum kam und sowohl den Besitz im Entre-deux-Mers als auch das bekannte Margaux-Château Prieuré-Lichine erwarb.

Nicht nur das Entre-deux-Mers liefert exzellente rote Bordeaux, ein besonders geeignetes und früher hoch dotiertes Gebiet ist der Kanton von Fronsac auf der rechten Seite der Dordogne. Etwas nördlich des berühmten Pomerol bewirtschaftet Jean-Charles Longaud mit seiner Familie das Château le Prieuré Mouillac. Auch er ist ein begeisterter Anhänger des Merlot. Beim außergewöhnlichen 2009er hat er ganz auf den Holzfassausbau verzichtet, um die pure und intensive Frucht zu bewahren. Nur jeweils ein Zehntel von den beiden Cabernets fügte Longaud für die zusätzliche Würze und feine Tannine hinzu. Wie bei den Kollegen im Entre-deux-Mers ein Beispiel für feinen, ausgewogenen Bordeaux zu einem attraktiven Preis.