Wie zur beliebten Blauschimmel-Spezialität passt nicht jeder Wein zu jedem Käse. Wer die rechte Harmonie bedenkt, kommt ganz sicher auf seine Kosten

Ziemlich romantisch soll es zugegangen sein bei der Erfindung des Roquefort. Ein Hirtenjunge habe vor langer Zeit, so erzählen es einem noch heute die Produzenten, makellos weißen Frischkäse zusammen mit Brot in einer Schutzhöhle vergessen. Während der junge Schäfer seiner Angebeteten nachstellte, muss im Lebensmittelkorb Unerwartetes vor sich gegangen sein. Als der missachtete Imbiss Tage später nämlich wiederentdeckt wurde, war nicht nur das Brot verschimmelt, die Mikroorganismen hatten auch den Käse besiedelt - der Roquefort war geboren. Ob die Geschichte stimmt oder nur hübsch ausgedacht ist: Seit Jahrhunderten werden in den Höhlen des Bergmassivs Combalou nahe dem französischen Städtchen Roquefort-sur-Soulzon Schafskäse mit dem Brotschimmel Penicillium roqueforti angereichert. Wohl ebenso lange machen sich die Einheimischen auch Gedanken darüber, welcher Wein am besten zum inzwischen berühmtesten Blauschimmelkäse der Welt passt.

Für die Roquefortais ist die Sache heute eindeutig. Mögen anderswo in der Welt Süßweine zum verschimmelten Käse bevorzugt werden, setzt man hier traditionell auf Rotes. Aber auf welchen Wein genau? Nun, man könnte es so machen, wie einst der Franzose René Engel, seines Zeichens Großkammerherr der berühmten Weinbruderschaft Confrérie des Chevaliers du Tastevin. "Mit dem Käse wird der größte Wein des Mahles serviert", formulierte der Experte seinen Ratschlag.

Im Prinzip eine gute Idee, denn so kann man sich nochmals steigern, nachdem zur Vorspeise ein leichter, zum Hauptgang ein etwas komplexerer Tropfen kredenzt wurde. Allerdings haben ganz große Rotweine ihre Tücken, vor allem dann, wenn sie sehr jung und spröde sind, mit reichlich Tanninen und Barriquenoten aufwarten. Das Salz im Roquefort und die Gerbstoffe im Wein addieren sich nämlich, und am Schluss erlebt der, der nicht aufpasst, ein salzig-pelziges Massaker auf der Zunge. Frisch gefüllte Bordeaux sollte man beispielsweise noch ruhen lassen, während ein üppiger australischer Cabernet Sauvignon dem Käse Paroli bieten könnte. Das Fruchtpaket namens Kelly Country schmeichelt sich gleichsam ein, die süße Beerennote gleicht den intensiven Schimmelgeschmack aus. Ganz ähnlich funktioniert es mit dem Negroamaro der apulischen Masseria Cavallo: Viel dunkle Beerenfrucht sowie Anklänge an Pflaumen und Gewürze lassen sich wunderbar mit einer Scheibe Roquefort vereinen, der man in diesem Falle noch ein Kirsch- oder Brombeerchutney sowie getoastetes Landbrot zugesellen könnte.

Die Prinzipien, die bei der Roquefort-Wein-Kombination zur Anwendung kamen, haben natürlich auch bei anderen Käsesorten ihre Gültigkeit. Je milder Ersterer, desto würziger darf der Wein ausfallen, ohne dass sich die beiden in die Quere kommen. Die Grenze ist dort erreicht, wo vom Käse nichts mehr, vom Wein alles zu schmecken ist. Diese Gefahr besteht bei einem Rohmilchprodukt wie dem Bergblumenkäse selten, denn die Schweizer Neuerfindung beweist gleich zweierlei. Erstens, dass die Eidgenossen nicht nur Klassiker wie Emmentaler vorzuweisen haben, sondern auch über echte Neukreationen verfügen. Und zweitens dass unbehandelte Milch, Bergkräuter und eine sechsmonatige Kellerreifung eine nussig-kräuterige Würze ergeben, die bestens mit einem Rotwein mithalten kann. Anders als beim Roquefort wäre in diesem Fall zu viel Fülle und Frucht aber kontraproduktiv, ein Bordeaux wie der Château Dubois Gramont aber genau richtig - auch weil der Wein einen hohen Merlot-Anteil besitzt und auf diese Weise nicht allzu kernig nach Cabernet schmeckt.

Falls der Käse noch ein bisschen milder wirkt, ist oft Weißwein die bessere Begleitung - es sei denn, die rote Variante hat schon einen gewissen Reifegrad erreicht, hat ihre jugendlichen Tannine verschmolzen, womöglich einen Teil (als sogenanntes Depot) ausgefällt. Eleganter Alprahmkäse und ein samtiger 2004er Gran Reserva aus der spanischen D.O. Catalunya funktionieren vielleicht auch deshalb im Doppelpack, weil Käse und Rotwein eine wichtige Eigenschaft teilen. In beiden Produkten sind spezielle Bakterien aktiv gewesen; bei der Rotwein-Vinifikation sorgen sie für die Umwandlung von harter Äpfelsäure in milde Milchsäure, welche ein fülliges, manchmal fast cremiges Mundgefühl vermittelt.

Weinkenner René Engel empfahl übrigens, zwischen Käseplatte und Dessert noch einen Gang einzuschieben - damit der Schock nicht zu hart ausfällt. Die Gougère, ein typisch französisches Brandteiggebäck, sei für solche Fälle genau richtig "Sie dient als Verbindungsglied zwischen Käse und Dessert", schrieb der Meister. "Sie eignet sich hervorragend, das letzte Glas Wein in Schönheit zu genießen." Na ja, vielleicht doch eher das vorletzte, denn auch zu Süßspeisen gibt es die passende flüssige Begleitung!