Der Silhouettenfilm “Die Abenteuer des Prinzen Achmed“ mit Live-Musik

Kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, würde sich heute noch einem solchen Exerzitium unterziehen. Es gibt doch Computer. Doch auch schon für die Zeitgenossen ihrer jungen Jahre muss Lotte Reiniger (1899 - 1981) eine absolute Ausnahmeerscheinung gewesen sein. Wie kann jemand viele Wochen seines Lebens damit zubringen, in mühseligster Kleinarbeit aus schwarzem Karton mit Messer und Schere Figuren und Hintergründe auszuschneiden, sie dann auf einen Aufnahmetisch zu legen und dort Millimeter für Millimeter so zu arrangieren, dass eine Kamera, die das Geschehen aufnimmt, dem Betrachter hinterher den Eindruck flüssig bewegter Schattenbilder liefert, ja, den eines Films?

Der Lohn der Mühe: Weltruhm - wenigstens im Kreis jener Filmfreaks, die das Ausgefallene lieben. Lotte Reininger schuf mit ihrem Silhouettenfilm "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" 1926 den ersten abendfüllenden Trickfilm der Kinogeschichte und wurde so zur Patin eines Genres, das bis in die Computer/3D-Gegenwart hinein nicht nur die Fantasie von Machern und Zuschauern bewegt, sondern der Kinobranche auch enorme Umsätze beschert.

"Dieser Silhouettenfilm verwirklicht endlich wieder einmal die wunderbaren und phantastischen Möglichkeiten des Films", schwärmte der "Berliner Börsen Courier" nach der Uraufführung in der Volksbühne am Bülowplatz. "Aus den irrealsten Gebilden, aus ganz entstofflichtem Material entsteht über die Traum- und Märchenwelt dieser Bilder hinaus eine zweite, gesteigerte und verwandelte Wirklichkeit." Von der Online Film Critics Society wurde "Die Abenteuer des Prinzen Achmed" 2003 als einziger deutscher Animationsfilm unter die "100 besten programmfüllenden Trickfilme aller Zeiten" gewählt. Der Verbund der deutschen Kinematheken zählt das Werk zu den 100 wichtigsten deutschen Filmen.

Das NDR Sinfonieorchester bringt dieses Pionierwerk nun mit der Originalmusik für großes Orchester von Wolfgang Zeller auf Kampnagel zur Aufführung. Der "Achmed"-Soundtrack markierte den Beginn der Karriere dieses Komponisten, der zeitweilig zu den meistgespielten in Deutschland zählte. Zeller, 1893 geboren, war zunächst Geiger im Orchester der Volksbühne Berlin und stieg 1921 zum Hauskomponisten und musikalischen Leiter des Ensembles auf. Die Begegnung mit Lotte Reininger gab seiner Laufbahn den entscheidenden Dreh Richtung Film. In der Nazizeit bewegte Zeller sich ohne Hindernisse nach oben - Filmmusiken zu "Der Herrscher" oder "Der zerbrochene Krug" (1937), zu "Immensee" oder "Jud Süß" in den Kriegsjahren zeugen davon. Im Nachkriegsdeutschland suchte Zeller mit Musik zu antifaschistischen Filmen auf seine Art Buße zu tun. Die Musik zu Bernhard Grzimeks Naturfilm "Serengeti darf nicht sterben" wurde zu Zellers letzter Arbeit. So rahmen zwei gleichermaßen legendär gewordene Filme sein Schaffen. 1967 starb er in Berlin.

Die Abenteuer des Prinzen Achmed 25./26.11. jeweils 20 Uhr, Kampnagel. Karten unter T. 0180 178 79 80 (bundesweit zum Ortstarif, max. 42 Cent pro Minute aus Mobilfunknetzen) oder unter ndrticketshop.de