Das Behnhaus Drägerhaus widmet dem Impressionisten Anders Zorn eine Retrospektive

Es ist erstaunlich, wie gründlich ein großartiger Künstler in Vergessenheit geraten kann. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts rühmte man den schwedischen Maler Anders Zorn (1860-1920) noch als "Jahrhundertgenie", heute kennen in Deutschland fast nur noch Experten seinen Namen. In Schweden ist das anders, dort gilt Zorn bis heute als einer der bedeutendsten bildenden Künstler seines Landes. Doch der Impressionist war mehr als nur eine schwedische oder skandinavische Größe, sondern ein Star der internationalen Kunstszene. Mit einer großen Retrospektive erinnert das Lübecker Behnhaus Drägerhaus jetzt an den schwedischen Impressionisten, wobei besonders seine Beziehung zu Deutschland im Blickpunkt steht.

Zu sehen sind etwa 100 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen aus allen Schaffensphasen. Zorn wurde 1860 in der Nähe der schwedischen Provinzstadt Mora geboren. Da sich sein außerordentliches zeichnerisches Talent bereits in der Kindheit zeigte, trat er schon als 15-Jähriger ein Kunststudium an der Stockholmer Akademie an. Dort beschäftigte er sich zunächst intensiv mit Aquarellmalerei, wobei er eine erstaunliche technische Meisterschaft erreichte. Als er 1880 sein Aquarell "In Trauer" auf einer Ausstellung zeigte, deutete sich an, dass eine große Karriere vor ihm lag.

Zorn erhielt nun zahlreiche Porträtaufträge, verließ aber wenig später Schweden und unternahm Studienreisen durch England und Spanien, auf denen er sich nicht nur als Zeichner und Aquarellist, sondern auch in der Ölmalerei perfektionierte. Überhaupt wurden die handwerkliche Perfektion und die gemäßigte Art seiner impressionistischen Auffassung zu seinem Markenzeichen - und zur Grundlage eines beinahe beispiellosen Erfolgs.

1883 heiratete Zorn Emma Lamm, die Tochter einer wohlhabenden jüdischen Familie, doch finanziell unabhängig war er bereits durch seine eigene Arbeit. Nachdem er Max Liebermann kennengelernt hatte, erhielt er auch aus Deutschland zahlreiche Aufträge. "International war der 13 Jahre jüngere Zorn damals der bekanntere Künstler. Liebermann verdankte er aber viele Kontakte in Deutschland, zum Beispiel zu Alfred Lichtwark, der ein Werk von ihm für die Hamburger Kunsthalle kaufte", sagt Alexander Bastek, der Direktor des Lübecker Museums Behnhaus Drägerhaus. Lichtwarks Nachfolger Gustav Pauli verkaufte es später allerdings - was aus heutiger Sicht die Problematik von Verkäufen aus Museumsbesitz deutlich macht.

Zorns enormer Erfolg zu Beginn des 20. Jahrhunderts erklärt sich aus seiner handwerklichen Meisterschaft, zugleich aber aus der großen thematischen Bandbreite, die von impressionistischen nordischen Motiven über elegante Porträts bis hin zu Akten in freier Natur und meisterhaften Darstellungen des ländlichen Alltags reichte.

Zorn passte in keine Schublade, fand aber wohl gerade deshalb in sehr unterschiedlichen Kreisen Anklang. Er beteiligte sich an Ausstellungen in Berlin, Hamburg, Dresden und München, war aber auch in England und den USA außerordentlich gefragt. Selbst Wilhelm II., der eigentlich alle impressionistischen Ansätze strikt ablehnte, stimmte zu, als die Berliner Nationalgalerie 1896 Zorns Gemälde "Sommerabend" kaufen wollte.

Doch ähnlich wie Liebermann konnte Zorn mit dem Expressionismus nichts anfangen. Und der neuen Avantgarde-Bewegung war sein impressionistischer, auf handwerkliche Meisterschaft gegründete Stil und eine gewisse, vor allem im Spätwerk sichtbare Gefälligkeit verdächtig. Nicht zuletzt deshalb wurde Anders Zorn nach seinem Tod in Deutschland so gründlich vergessen. Zwar gab es 1989 in Kiel und München eine Zorn-Ausstellung, aber die eigentliche Wiederentdeckung dieses außergewöhnlichen Malers steht noch aus. "Auch wenn Zorns Wirken in Deutschland inzwischen wissenschaftlich gut aufgearbeitet ist, gilt es doch nach wie vor zu erforschen, in welche Privatsammlungen seine Werke Eingang fanden - und bis heute finden. An Informationen hierzu sind wir sehr interessiert", sagt die Kuratorin der Ausstellung, Anna-Carola Krausse. Wer Hinweise dazu geben möchte, kann sich an die E-Mail-Adresse wenden.

Der schwedische Impressionist Anders Zorn 15.1. bis 15.4.2012 Behnhaus Drägerhaus Lübeck, Königstraße 9, Di-So 10.00-18.00, E-Mail behnhaus@luebeck.de