Die Schau “Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole“ widmet sich dem Übergang von der Plastik zur Malerei

Im kommenden Jahr sind es stolze 50 Jahre, die sich das Ernst Barlach Haus der Zusammenschau aus Bildhauerei und der Kunst der Klassischen Moderne widmet. Zum Jubiläum erfüllt sich Museumsleiter Dr. Karsten Müller einen lang gehegten Wunsch. Die Ausstellung "Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole", die ab dem 22. Januar zu sehen ist, präsentiert den schleswig-holsteinischen Maler, dessen Ziel es war, eine "nordische, starke, herbe, innerliche Kunst" ( in seiner Autobiografie) zu schaffen, wie man ihn bislang noch nicht gesehen hat.

Eindrucksvoll belegt die Schau, wie der klassisch-moderne Künstler in einem globalen Kontext vom Objekt in die Malerei überwechselte. Nach einer ausgedehnten Reise in die Südsee-Region 1913/14 hatte Nolde seine eigene völkerkundliche Sammlung von Figuren, Puppen und Masken geschaffen. Die Herkunft, das Alter oder die geografische und kulturgeschichtliche Bedeutung interessierten ihn dabei wenig. Von russischen Porzellanpüppchen über chinesische Bronzetiere bis zu süddeutschen Barockmadonnen reicht das Spektrum. Ergänzt wird die Sammlung durch Textilien, die Noldes Frau Ada nach seinen Entwürfen angefertigt hat, sowie Figuren von Noldes Hand.

Die Schau umfasst rund 180 Gemälde, Zeichnungen und Objekte, darunter knapp 40 Ölbilder Noldes, die die Hochphase seiner Beschäftigung mit dem Figurenstillleben reflektieren. Hinzu kommen etwa 30 Farbstiftzeichnungen mit Objekten aus der Sammlung des Berliner Völkerkundemuseums. Die Exponate umfassen eine zeitliche Spanne von 1911 bis 1929. Auf verblüffende Weise griff Nolde die Objekte in den Figurenstillleben auf. In dem Gemälde "Stillleben mit Hirsch, Kissen und Tamburan" bilden eine ozeanische Kultfigur, ein gelber Porzellanhirsch samt Reiter sowie ein Kissenbezug einträchtig ein farbenfrohes Ensemble. "Die Übersetzung der Objekte in Malerei zu verfolgen ist eine Schule des Sehens", erläutert Müller. In "Stillleben mit Kuh, japanischer Figur und Kopf" findet sich eine typisch nordisch gefleckte Gipskuh neben einer Japanerin und einem altgriechischen Kopf auf einer friesischen Decke. Ganz selbstverständlich setzt sich der Maler über alle Wertehierarchien hinweg. Die lebendige Anordnung lässt die Figuren geradezu theatralisch in Beziehung zueinander treten. Alt steht neben Neu, lebendige neben untergegangener Kultur, vermeintlich Primitives neben Hochkulturellem, Billignippes neben ausdrucksstarker Eingeborenenkunst. "Man könnte sagen, dass diese Bilder die Gattung Stillleben aus den Angeln heben", so Müller. Auch in der besonderen Farbigkeit fand Nolde zu neuen Freiheiten.

Warum der Künstler, der ja eigentlich eine bewusst regional geprägte Kunst schaffen wollte, diese mit außereuropäischen Motiven gestaltete, bleibt rätselhaft. Sein sichtbarer Respekt vor fremden und vergangenen Hochkulturen erhebt seine Kunst jedoch eindeutig zu einer multikulturell engagierten Malerei. Der Hamburger Kulturwissenschaftler, langjährige Direktor des Museums für Kunst und Gewerbe und Nolde-Biograf Max Sauerlandt, der auch dessen Gemälde "Der Missionar" besaß, hob früh die "an Allgemeinmenschliches" rührende Ernsthaftigkeit von Noldes Figurenstillleben hervor.

Eine besondere Aktualität erlangt die Schau in einer Zeit, in der die interkulturellen Komplikationen und der "Zusammenprall der Kulturen" in Kunst und Gesellschaft kontrovers diskutiert werden. Noldes Kunst gliedert sich auch in den Kontext des Ursprünglichkeitsdiskurses, der Auseinandersetzung der deutschen Expressionisten mit dem europäischen Primitivismus.

In den späteren Arbeiten wird Emil Noldes Kunst dekorativer. Er arrangiert Schnittblumen aus seinem berühmten Staudengarten mit exotischen Objekten. Die Ausstellung vermeidet didaktische Zuordnungen und beleuchtet stattdessen erstmals das engmaschige Verweisnetz.

Emil Nolde. Puppen, Masken und Idole 22.1. bis 28.5.2012, Ernst Barlach Haus, Baron-Voght-Straße 50a, erweiterte Nolde-Öffnungszeiten Di-So 11.00-18.00, Fr/Sa 11.00-21.00