Der HSV-Fußballer und Nationalspieler Dennis Aogo ist tief gläubig. Er ist überzeugt, dass sein Talent göttliche Bestimmung ist. Der 24-Jährige ist viel allein mit Gott, doch wenn er Zeit hat, geht er in die Freikirche Arche in Stellingen

Er spricht oft mit Gott. Beim Autofahren, beim Spaziergehen, zu Hause - und natürlich kurz vor jedem HSV-Spiel. Da bittet er Gott vor allem darum, dass er gesund wieder vom Platz geht. Verletzungen sind das Schlimmste für einen Fußballer, und in der jetzigen Situation des Hamburger SV darf keiner ausfallen. Besonders nicht der Linksverteidiger und deutsche Nationalspieler Dennis Aogo. "Ich bitte auch um Kraft und Schutz für mich", sagt der 24-Jährige lächelnd. Manchmal spüre er die Gegenwart Gottes beim Spiel. Der Halb-Nigerianer hat sich sein persönliches Glaubensbekenntnis auf die Oberarme tätowiert. Den rechten Arm schmückt ein Kreuz mit den Initialen seiner Familie, auf dem linken halten zwei Hände ein Buch mit einem Gebet auf Hebräisch. "Das heißt, meine Familie und ich werden von Gott beschützt und gehalten", erklärt er.

Dennis Aogo ist tief gläubig und er geht offen damit um, auch wenn das in seiner Mannschaft selten ein Thema ist. Leider, denn eigentlich fände er es wunderbar, wenn sich die Hamburger Spieler genauso wie die Afrikaner auf dem Platz zu einem kurzen Gebet sammeln würden. "Das muss unglaubliche Energie geben".

Er ist viel allein mit seinem Gott. Denn zwischen Training und Bundesliga-Spielen hat Dennis Aogo wenig Zeit, in die Kirche zu gehen. Doch alle paar Monate "brauche ich diese reinigende Wirkung eines Gottesdienstes". Dann zieht es ihn gemeinsam mit seiner Freundin Alessia (23) ganz in die Nähe des Stadions, in das Missionswerk Arche, das sich im Industriegebiet von Stellingen befindet. Die Mitglieder dieser evangelisch-reformierten Freikirche sind sehr bibeltreu. Hier haben Männer das Sagen, Frauen vertreten noch die traditionelle Rolle. Dennoch begeistert gerade diese Gemeinde sehr viele junge Menschen. Sonntags feiern in dem riesigen, lagerhallenähnlichen Kirchraum bis zu 800 Menschen den Gottesdienst, Platz ist für mehr als 2000. Kühl, modern, funktional wirkt die Arche, ein riesiges Kreuz dominiert den Raum mit dem Stahldach und der Lichtanlage.

Doch gerade das mag Aogo. "Ich finde es gut, dass hier mit der Tradition eines steinernden Gotteshauses gebrochen wurde, dass manchmal Hip-Hop gesungen wird und die Predigt alltagstauglich ist." So ein Gottesdienst sei der perfekte Rückzug vom Alltag. Er liebt es, sich mitreißen zu lassen, von einer leidenschaftlichen Menge, die so gar nichts mit der stillen Messe zu tun hat, die er aus seiner Jugend noch kennt.

Dennis Aogo wuchs im südbadischen Karlruhe auf, dort wurde er katholisch getauft. Vor drei Jahren ist er aus der Katholischen Kirche ausgetreten. "Mir sagen die ganzen Rituale dort nichts." Er erinnert die Kirchenlieder, die sein nigerianischer Vater ihm vorgesungen hat, seltene Kirchenbesuche - doch ansonsten spielte die Religion in seiner Kindheit kaum eine Rolle.

Da war anderes wichtig. Er musste sich behaupten auf engstem Raum in einer Patchwork-Familie, gegen vier ältere Geschwister, in einem Brennpunkt-Stadtteil, der von hoher Arbeitslosigkeit und sozialen Problemen gekennzeichnet ist. "Ich war früher ein komplett anderer Mensch, absolut chaotisch, konnte mich an keine Regeln halten und habe auch ziemlich viel angestellt", sagt er. Er sei faul in der Schule gewesen, unglaublich schüchtern und nicht sehr selbstbewusst. "Eigentlich hatte ich alle Eigenschaften, um auf die schiefe Bahn zu geraten, so wie einige meiner damaligen Freunde", sagt er und wirkt dabei für einen 24-Jährigen erstaunlich reflektiert. Dennis Aogo er hat nichts mehr mit dem früheren "Ghetto-Jungen" gemein, den er beschreibt. Vergeblich sucht man bei ihm das großkotzige Verhalten mancher Fußballstars. Dennis Aogo hat sichtlich Bodenhaftung. Sein Auftreten ist sehr sympathisch, locker und offen - fast bescheiden. "Den Weg hat Gott mir gezeigt", glaubt er. Auch sein fußballerisches Talent sieht er als Gott-gegeben. "Das ist ein unglaubliches Geschenk." An Zufälle glaubt er nicht, sondern an seine Bestimmung. "Ich bin stolz darauf, wo ich herkomme. Vielleicht soll ich den Jugendlichen in meinem Heimatort Hoffnung geben, dass alles möglich im Leben ist."

Allerdings hat auch sein Vater viel dafür getan, dass aus Dennis Aogo ein Profifußballer wurde. "Er ist mein Vorbild. total fußballverrückt, hat mich gefördert, wo er konnte, auch auf Kosten der Familie. Gerade für meine Geschwister und meine Mutter war das oft hart", sagt Aogo. Manchmal treiben ihn noch Schuldgefühle um, dass sich seine Eltern vielleicht auch deswegen vor zehn Jahren getrennt haben und er daraufhin jahrelang keinen Kontakt zu seiner Mutter hatte. Dass er ins Fußballinternat nach Freiburg durfte, heute wohlsituiert in Hamburg-Nienstedten lebt, während einige seiner Geschwister noch in der alten Trabantensiedlung wohnen.

Es ist spürbar, dass ihn trotz allem Selbstzweifel quälen. "In manchen Momenten wünsche ich mir einen einfacheren Beruf, anonym in der Menge zu sein, ein Leben ohne Erwartungen." Manchmal ist er einfach zu viel, der Erfolgsdruck. Er ist ein Grund, warum Dennis Aogo sich seit etwa zwei Jahren so intensiv mit seinem Glauben beschäftigt und er den tiefen Wunsch hat, "die ganze Verantwortung für mein Leben in Gottes Hände zu legen". Noch könne er das nicht. Seine Ansprüche an sich und den Glauben sind hoch. Doch er pokert gerne, lebt mit seiner Freundin zusammen. "Glücksspiel oder Sex vor der Ehe passen nicht hundertprozentig zum meinen Glaubensprinzipien oder denen der Arche." Das nagt an ihm.

Ein Schlüsselerlebnis in seiner Beziehung zu Gott ist die Wandlung seiner Mutter. "Sie ist frei", sagt er. Sie hatte am Tiefpunkt ihres Lebens eine spirituelle Erfahrung, "die sie zu einem ganz anderen Menschen gemacht hat". Aogo hatte nicht geglaubt, dass das durch Glauben möglich ist.

Doch seither hat sie neue Lebensfreude, Selbstbewusstsein. "Die Zweifel sind weg." Sie widmet ihr Leben Gott, der Familie, hat seinen Vater vor kurzem noch einmal geheiratet. "Ich bewundere meine Mutter nun. Wir haben jetzt ein ganz neues Verhältnis, dafür bin ich Gott zutiefst dankbar."