Das Quartett Vier Köpfe, vier Meinungen, ein Thema: Hamburgs Mobilität. Diese vier ziehen Bilanz über das bislang Erreichte und nennen erfolgreiche Projekte, sagen aber auch, was Politik, Wirtschaft und Bürger beitragen müssen

Wir müssen unser Mobilitätsverhalten überdenken

Beam me up, Scotty! Das Beamen scheint schon seit Langem eine verlockende Variante der Mobilität zu sein - würde sie doch viele unserer aktuellen Probleme lösen. Da die Möglichkeit des Beamens aber noch Wunschdenken ist, ist es vor allem zum Schutz unserer Umwelt dringend geboten, dass wir über unser Mobilitätsverhalten nachdenken. Dass wir unsere Kinder zunehmend, aus welchen Gründen auch immer, mit dem Auto chauffieren, sollte uns zu denken geben. Auch unsere Wege ins Fitnessstudio mit dem privaten Pkw erscheinen, mit Abstand betrachtet, absurd.

Gleichzeitig gibt es gute Ansätze, die Hamburg in den letzten Jahren gegangen ist. Das Zauberwort hierfür heißt Multimodalität. Bei diesem Ansatz geht es darum, dass die gewünschten Wege mit ganz unterschiedlichen Verkehrsträgern optimiert zurückgelegt werden können. Hierfür sind Car2go und das Leihfahrradsystem gute Ansätze, um beispielsweise über das Handy in den kommenden Jahren ein System zu schaffen, das es ermöglicht, in Echtzeit den besten Verkehrsträger für die jeweiligen Wege finden zu können.

Die Dominanz des Pkw hat dazu geführt, dass jeder Deutsche im Durchschnitt 39 Kilometer am Tag zurücklegt. Als man noch vermehrt zu Fuß ging, betrug die Gesamtwegelänge pro Tag gerade einmal fünf Kilometer. Hierbei ist auch zu beobachten, dass von den mit dem Auto zurückgelegten Wegen rund 23 Prozent kürzer als zwei Kilometer und 47 Prozent kürzer als fünf Kilometer sind - Entfernungen, die mit dem Fahrrad am schnellsten zurückgelegt werden können.

Allerdings ist auch Sonne am Pkw-Wolkenhimmel zu sehen. Erstmals gibt es Anzeichen für rückläufige MIV-Anteile (motorisierter Individualverkehr) und Fahrleistungen. Gleichzeitig steigen die Anteile des öffentlichen Personen- und des Fahrradverkehrs.

Aber auch hier muss man weiter daran arbeiten, die Wahl der Verkehrsmittel, den sogenannten Modal Split, in Richtung des Umweltverbundes, also der nicht motorisierten Verkehrsträger sowie der öffentlichen Verkehrsmittel, zu verschieben.

Wie unterschiedlich der Anteil der einzelnen Verkehrsträger in Großstädten sein kann, zeigt ein Vergleich zwischen Hamburg und Kopenhagen. In Hamburg werden 13 Prozent der Wege mit dem Fahrrad zurückgelegt, in Kopenhagen über 30 Prozent.

Hinter den bemerkenswerten Zahlen der dänischen Hauptstadt steht eine fahrradfreundliche Politik. Im letzten Jahr wurden dort 20 Millionen Euro in den Radverkehr investiert. Da kann Hamburg nicht mithalten: Gerade einmal 9,5 Millionen Euro flossen in die Radverkehrsförderung, bei mehr als dreimal so vielen Einwohnern.

Neben der Förderung des Radverkehrs ist der Ausbau des ÖPNV ein weiterer Lösungsansatz. Die Stadtbahn würde eine alternativlose Ergänzung des jetzigen Angebots darstellen. Untersuchungen haben gezeigt, dass sie weitere Gäste an den ÖPNV binden kann, denn bis zu 50 Prozent der Fahrgäste einer Stadtbahn könnten den Weg auch mit anderen Verkehrsmitteln zurücklegen. Beispielsweise haben aber nur fünf Prozent der Busfahrgäste eine wirkliche Alternative. In Hamburg dürfte gerade Fahrgästen der Linie 5 in Richtung der Universität jeden Tag deutlich werden, dass eine Leistungssteigerung unausweichlich ist.

Hamburg hat, wie oben bereits angesprochen wurde, Systeme entwickelt, die ein verändertes Mobilitätsverhalten unterstützen und fördern. Per Smartphone kann schnell und einfach herausgefunden werden, wo ein freies Car2go steht. In dieser Minute sind es zum Beispiel 279 freie Autos.

Das Leihfahrradsystem bietet ebenfalls eine gute Alternative zu dem privaten Pkw sowie eine passende Ergänzung zum Car2go und dem Angebot des HVV. Der Umweltverbund ist in der Hansestadt Hamburg gut aufgestellt, die Angebote müssen jedoch von den Bürgern angenommen und genutzt werden.

Der Auftrag ist klar - die Stadt und wir selber müssen etwas ändern! Und ansonsten warten wir darauf, dass das mit dem Beamen endlich Realität wird. Wohin wir uns dann jedoch in der täglich eingesparten Fahrzeit beamen lassen, dass kann sich jeder selbst erträumen.

Unser Ziel ist, die Elektromobilität zu stärken

Mobilität ist wesentliche Grundlage für die prosperierende Entwicklung jeder Metropolregion. Dies gilt für die Metropolregion Hamburg mit dem international bedeutenden Hafen und als Knotenpunkt für Handel und Logistik in besonderem Maße. Das Leben und Arbeiten wird maßgeblich davon geprägt, inwieweit die Mobilität für Personen, Güter und Daten sichergestellt werden kann. Und diese Mobilität muss mit den steigenden Ansprüchen an Umweltqualität, Ressourcenschonung und Attraktivität städtischen Lebens einhergehen.

Nach allen belastbaren Prognosen wird Hamburg weiter wachsen. Fernwanderungsgewinne aufgrund der Attraktivität der Stadt, der Wirtschaftskraft und der tendenziell zunehmenden Urbanisierung der Gesellschaft, stabile Geburtenzahlen, überproportional steigende Mobilitätskosten bei gleichzeitig abnehmenden Mobilitätsbudgets - die Zahl der Mobilitätsnachfrager und ihre Ansprüche an einen funktionierenden öffentlichen Nahverkehr werden auf absehbare Zeit steigen.

Noch ist Hamburg mobil. Ein leistungsstarkes Angebot im öffentlichen Nahverkehr durch Busse, U- und S-Bahnen sowie regionale Bahnverbindungen sichert im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) die Mobilität in der Metropolregion - täglich nutzen knapp zwei Millionen Kunden das Angebot. Dies entlastet die Straßen für den notwendigen Wirtschaftsverkehr, schont die Umwelt, spart Ressourcen und erhöht die Attraktivität der Stadt als Wohn- und Arbeitsort. Gleichzeitig sichert der öffentliche Nahverkehr die gesellschaftliche Teilhabe aller Bürger.

Diesem Auftrag ist die Hamburger Hochbahn AG als größter Partner im HVV seit der Inbetriebnahme der ersten U-Bahn vor knapp 100 Jahren verpflichtet. Um den Auftrag zu erfüllen, ist eine nachhaltige Steigerung der Fahrgastzahlen notwendig. Hier ist die Hochbahn sehr erfolgreich. Allein in den letzten fünf Jahren stieg die Zahl der Fahrgäste um mehr als zwölf Prozent. Erreicht wird dies durch nachfrageorientierte Leistungsausweitung und kontinuierliche Qualitätsverbesserung.

Der Erfolg löst aber auch Handlungsbedarfe aus: Die Metrobuslinien, ein Erfolgsmodell mit mittlerweile deutschlandweit zahlreichen Nachahmern, stoßen an vielen Stellen an Kapazitätsgrenzen - auch die in der Vergangenheit eingesetzten längeren Fahrzeuge in engster Taktdichte helfen hier nicht weiter. Helfen können hier - solange Stadtbahnsysteme mit deutlich höheren Kapazitäten in Hamburg nicht finanzierbar sind - Maßnahmen, die den Busumlauf beschleunigen: der Halt am Fahrbahnrand statt in den Bushaltebuchten, intelligente Ampelschaltungen und Bussonderspuren. Nur wenn es gelingt, die Attraktivität zu erhalten und zu erhöhen, können immer mehr Menschen zum Umstieg vom Pkw auf Busse und Bahnen bewegt werden. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass Hamburg auch längerfristig mobil bleibt.

Zur langfristigen Sicherung innerstädtischer Mobilität gehört aber auch die Entwicklung und Einführung alternativer Antriebstechnologien. Die Unternehmensstrategie der Hochbahn berücksichtigt schon heute, dass in 20 bis 30 Jahren Dieselkraftstoff zu knapp und zu teuer sein wird, um damit Busse anzutreiben. Das Ziel ist deshalb, die Elektromobilität zu stärken. Schon heute ist der öffentliche Nahverkehr in Hamburg zu knapp 70 Prozent "elektromobil". Die Umstellung der Busflotte auf elektrischen Antrieb benötigt allerdings Zeit und enorme Entwicklungsanstrengungen. Die Hochbahn ist ein wichtiger Partner der industriellen Hersteller für wasserstoffbetriebene Brennstoffzellenbusse. In Hamburg wird deshalb seit über zehn Jahren erfolgreich an der Mobilität der Zukunft gearbeitet.

Tempo 30 innerorts, um die Risiken für Kinder zu mindern

Wie kann eine Großstadt wie Hamburg der Nachfrage nach Mobilität gerecht werden, zugleich aber für alle Einwohner lebenswert sein? Stadträume und Verkehr sind dazu so umwelt- und sozialverträglich wie möglich zu gestalten. Aus klimapolitischer Sicht ist zudem eine drastische Reduzierung des CO2-Ausstoßes vonnöten.

Der Autoverkehr ist deshalb spürbar zu reduzieren. Die Verkehrsmittel des Umweltverbundes, die eigenen Füße, das Fahrrad sowie Bus und Bahn (ÖPNV), müssen Vorrang erhalten. Denn jede Optimierung der Straßen zugunsten des Autoverkehrs hatte letztlich nur dessen weitere Zunahme zur Folge. Als Hauptverkehrsträger ist das Auto aber nicht die Lösung. Im Gegenteil: Es ist zum Hauptverursacher vieler Verkehrs- und Umweltprobleme geworden. Der Einsatz von Biokraftstoffen wirft sogar elementare Menschenrechtsfragen auf.

In Hamburg sind die unmittelbaren Belastungen des Verkehrs offensichtlich: Lärm, Verletzte und Todesopfer, Schadstoffe und andere Probleme werden in der Umwelthauptstadt noch immer nicht offensiv angegangen. Besonders beschämend ist, dass der Straßenverkehr in der Stadt für Kinder und Jugendliche das größte Todesfallrisiko darstellt und Verkehrserziehung zum Überlebenstraining wird. Der VCD setzt hier auf das Konzept "Vision Zero" (null Verkehrstote). Dabei spielt Geschwindigkeit eine entscheidende Rolle. Zusammen mit vielen Städten im Land sprechen wir uns für die flächendeckende Einführung von Tempo 30 innerorts aus, mit Ausnahmen nur für Hauptverkehrsstraßen.

Zeitgemäße Stadt- und Verkehrsplanung realisiert zudem eine Stadt der kurzen Wege. Dabei ist darauf zu achten, dass Fußgänger nicht an den Rand gedrängt werden, es gute Möglichkeiten für den Radverkehr und keine zu breiten Straßen gibt. "Stadt der kurzen Wege" bedeutet zudem eine Verdichtung vorhandener Bebauung in der Nähe zu Einrichtungen des ÖPNV. Der Ausbau des Straßennetzes ist aus Sicht des VCD auch für Hamburg abgeschlossen. Landschaftsverbrauch durch weitere Neubauten wie etwa die Hafenquerspange lehnen wir ab. Bei Instandsetzungs- und Sanierungsarbeiten am Wegenetz ist besonders auf Verbesserungen für den öffentlichen Verkehr sowie den Fuß- und Radverkehr zu achten. Speziell die Umsetzung der endlich vorhandenen Radverkehrsstrategie benötigt dabei noch einen langen Atem. Doch der beste Gehweg oder Radstreifen nutzt nichts, wenn er permanent zugeparkt wird. Schon für dieses, oftmals sogar gefährliche Ärgernis fehlt bei Bürgern und Behörden immer noch die nötige Aufmerksamkeit.

Im ÖPNV ist eine Ausweitung des Angebots in der Stadt und ins Umland unverzichtbar, insbesondere im Schienenverkehr. Innerhalb der Stadtgrenzen favorisiert der VCD dazu aus Kosten- und Akzeptanzgründen die Weiterführung der U-Bahn als oberirdische Stadtbahn zur Anbindung von Stadtteilen wie Kirchdorf-Süd, Bramfeld/Steilshoop, Lurup, Osdorfer Born oder Lohbrügge.

Das derzeit vorgesehene Bus-beschleunigungsprogramm (mit Ampelvorrangschaltungen und weiteren Busspuren) ist dagegen unökonomisch und reicht nicht aus, um dem weiter steigenden Mobilitätsbedarf gerecht zu werden. Außerdem muss in die Verbesserung kritischer Knotenpunkte im Schienenverkehr (Hauptbahnhof, Hamburg-Harburg, Güterverkehrstrassen) sowie in den Ausbau von Stationen (behindertengerecht, längere Bahnsteige) verstärkt investiert werden.

Einen weiteren Ausbau des Flughafens Fuhlsbüttel lehnen wir ab. Der VCD setzt sich zudem für die Anlastung externer Kosten und die steuerliche Gleichbehandlung aller Verkehrsträger ein. Gerade für einen innerstädtischen Flughafen wie Hamburg muss überdies ein striktes Nachtflugverbot zwischen 22 und 7 Uhr gelten. Indiskutabel ist eine Aufhebung der Nachtflugverbote durch den Bundesgesetzgeber.

Klar ist: Jeder muss sein Mobilitätsverhalten immer wieder überprüfen - er wirkt damit nahezu täglich an der Gestaltung des Stadtraumes und der Umwelt mit. Viele Bürger sind in ihrem Denken jedoch längst weiter, als es die Politik wahrnehmen will.

Die Angebote müssen praktisch, zuverlässig und günstig sein

Das eigene Auto galt viele Jahre als Inbegriff individueller Mobilität - auch in Hamburg. Diese Sicht hat sich verändert - insbesondere bei Menschen in der Stadt. Um flexibel und ohne großen Zeitaufwand von A nach B zu kommen, ist das eigene Auto längst nicht mehr die einzige Wahl. Schuld daran sind steigendes Verkehrsaufkommen und begrenzter Parkraum. Hinzu kommt der wachsende Bedarf an umweltfreundlichen Lösungen. Besonders urbane Zentren stehen in der Pflicht, denn dort entstehen 75 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen.

Gefragt sind effiziente Lösungen, die einerseits ökologisch nachhaltig funktionieren. Andererseits bedingt die jeweils individuelle Situation den Anspruch an Mobilität. Das Fahrrad ist unbestritten die CO2-ärmste Möglichkeit, ans Ziel zu kommen. Bei Regen kommt es jedoch für die wenigsten als Alternative zum eigenen Auto infrage.

Eines der besten Beispiele dafür, wie sich Mobilität sinnvoll gestalten lässt, bietet derzeit Hamburg. Kaum eine andere deutsche Metropole hält dabei so vielfältige Angebote bereit wie die Umwelthauptstadt Europas 2011 - von einem dichten Bus- und Bahnnetz über ein wachsendes Leihfahrradsystem bis zu flexiblen Mobilitätsmodellen wie Car2go. Es braucht nicht mehr zwingend das eigene Auto, um in der City voranzukommen, im Gegenteil: Wer auf eine Kombination der Alternativen setzt, gelangt umweltfreundlicher und oft sogar schneller ans Ziel.

Im Vergleich zu früher haben viele Menschen heute den Wunsch, flexibler und unabhängiger zu leben. Ein eigenes Fahrzeug wird da insbesondere von jungen Fahrern schnell als "Klotz am Bein" empfunden. Viele denken sogar darüber nach, ihr Auto zu verkaufen oder sich erst gar keins anzuschaffen. Das belegt die repräsentative Umfrage "Europcar Transportation & Mobility Observatory 2010" unter mehr als 6000 europäischen Autofahrern, davon über 1000 in Deutschland. Laut der Studie überlegt heute bereits jeder dritte Deutsche, mindestens einen Pkw im kommenden Jahr abzugeben. So ließen sich nicht nur die Fixkosten senken, sondern auch die mit dem Besitz eines Fahrzeugs verbundenen Verpflichtungen - etwa Öl- und Reifenwechsel oder regelmäßige Werkstattbesuche. Der Zeitgeist ändert sich gleichzeitig im Hinblick auf die Umwelt. So hat die Umfrage auch ergeben, dass die Mehrheit der Autofahrer ihr Verhalten aus ökologischen Gründen bereits geändert hat.

Gerade Hamburg kann als Umwelthauptstadt Europas 2011 eine Vorreiterrolle einnehmen - wenn alle Beteiligten bereit sind, ihren Beitrag zu leisten. Neben den Anbietern von Carsharing & Co und Politik sind die Verbraucher gefragt. Auch diese müssen umdenken und sollten die Entscheidung fürs Auto bewusster treffen. Falls sie den Weg sinnvoller mit der S-Bahn zurücklegen können, sollten sie den Pkw stehen lassen und unnötigen Ausstoß von Treibhausgasen vermeiden.

Ebenso stellt sich die Frage, ob das Auto zwangsläufig vor der eigenen Haustür oder in der Garage stehen muss. Clevere Leihsysteme sind freundlich zu Umwelt und Portemonnaie. Je mehr Mobilitätsangebote es gibt, desto bewusster kann sich jeder für das effizienteste entscheiden. Dabei sind auch die Autovermieter in der Pflicht, intelligente Konzepte vorzustellen. Die Herausforderung liegt darin, Angebote zu machen, die praktisch, zuverlässig und günstig sind. Hier steht die Branche noch am Anfang: Auf dem Markt gibt es vielversprechende Ansätze für clevere Mobilitätsmodelle, diese müssen ihre langfristige Praxistauglichkeit aber noch unter Beweis stellen.