Die Entwicklung von nachhaltigen Verkehrsstrukturen macht Fortschritte, ihr Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft

Die Bebauung und Infrastruktur von Stadtvierteln und Wohnsiedlungen haben einen entscheidenden Einfluss darauf, wie nachhaltig das Verkehrsgeschehen in der gesamten Stadt ist. Dort, wo Menschen sich wohlfühlen, wo sie gute Einkaufs- und Freizeitangebote haben, halten sie sich auf und müssen keine langen Wege zurücklegen, um diese Bedürfnisse zu befriedigen. Eine gute Quartiersgestaltung lädt zum Zufußgehen und Radfahren ein und sorgt dafür, dass das Auto nicht die erste Geige spielt.

Aber wie lassen sich nachhaltige Verkehrsstrukturen in einem Viertel erreichen? An welchen Kriterien lassen sie sich messen? Diese Fragen bearbeitete Jan Siebenmorgen an der HafenCity-Universität in seiner Diplomarbeit "Verkehrsökologie" am Beispiel von vier Hamburger Quartieren und stellte fest: Die Entwicklung von nachhaltigen Verkehrsstrukturen hat zwar Fortschritte gemacht, doch ihr Potenzial ist noch längst nicht ausgeschöpft.

Siebenmorgen, der jetzt in der Aachener Planungsgruppe MWM arbeitet, betrachtete zwei ältere Siedlungen, die Jarrestadt in Winterhude und die Fritz-Schumacher-Siedlung in Langenhorn, und zwei neue Wohnquartiere: die autofreie Neubausiedlung an der Saarlandstraße und der "Wohnpark im Grünen" auf dem Gelände der ehemaligen Trabrennbahn Farmsen. Die beiden modernen Quartiere haben bei der Untersuchung auf nachhaltige Verkehrsstrukturen deutlich besser abgeschnitten, wobei die Farmsener Siedlung knapp vorn liegt.

Sie punktete unter anderem mit ihren Parkplatzlösungen: zentrale Sammelgaragen, die den Autoverkehr - fließend und ruhend - weitgehend aus dem Viertel heraushalten, machen das Quartier besonders angenehm. Dies entspricht der Leitlinie, dass das Auto gegenüber anderen Fortbewegungsarten nicht privilegiert sein sollte. Die Bebauung folgt dem Oval der ehemaligen Pferderennbahn. Das Terrain hat viele autofreie Zonen, verkehrsberuhigte Bereiche und im Herzen eine Grünanlage mit Teichen. Nur auf den Ringstraßen darf mit dem Auto (Tempo 30) gefahren werden. Selbst Anlieferungen sind auf den Spielstraßen grundsätzlich nicht möglich, mit einer Ausnahme: Umzugs-Lkw können werktags durch Poller abgesperrte Bereiche befahren, wenn die Zu- oder Wegzügler zwei Tage vorher einen entsprechenden Antrag im Hausmeisterbüro gestellt haben.

Statt viele Quadratmeter Parkplätze vorzuhalten, damit jeder Anwohner direkt vor seiner Haustür parken kann, sollten generell die Flächen zwischen Wohngebäuden besser für Aufenthaltsangebote, vor allem für Kinder, genutzt werden, so Siebenmorgen: "Das Quartier Trabrennbahn verdeutlicht sehr schön, wie bewusste Einstellungen dazu führen können, verträgliche Maße von Verkehr zu erreichen. Die Anwohner in diesem Gebiet verzichten nicht auf ihre vermeintlich unabhängige Mobilität, den Pkw, sondern parken ihn an festen und immer verfügbaren zentralen Stellplätzen."

Autobesitzer, die einen solchen Kompromiss erst einmal eingegangen seien, lernten die neu gewonnene Qualität des Wohnumfelds zu schätzen, so Siebenmorgen. Selbst eine Entfernung von 500 Meter zur zentralen Parkanlage werde dann "nicht als Qual, sondern als Luxus angesehen". Wichtig sei weiterhin die Verknüpfung der Stellplatzanlagen mit öffentlichen Verkehrsmitteln, Fahrradabstellplätzen und einem attraktiven Fußwegenetz. Dabei sollten Rad- und Fußwege gut einsehbar und beleuchtet sein.

Auch bei der Bebauungsdichte erwies sich das Farmsener Projekt als vorbildlich. Die drei- bis viergeschossigen Gebäude erreichten die "notwendige Einwohnerdichte", um die Siedlungsfläche effizient zu nutzen, ohne dass sich Schluchten bilden. Und sie böten gleichzeitig eine hohe Aufenthaltsqualität, urteilt Siebenmorgen. Auch die Fritz-Schumacher-Siedlung und das Projekt Saarlandstraße schnitten hier gut ab. Nur die Jarrestadt erhielt die Bewertung "unverträglich". Der Verkehrsökologe: "In dem Quartier befinden sich 148,5 Wohneinheiten pro Hektar, mehr als doppelt so viele wie verkehrs- und städteplanerisch empfohlen wird. Der Grund ist die enge Blockrandbebauung mit vier bis sechs Geschossen."

Beim Kriterium "Erreichbarkeit zentraler Orte" fiel dagegen das Saarlandstraßen-Projekt negativ auf. Hier fehlen nahe gelegene Geschäfte zur Deckung des täglichen Bedarfs, zeigte die Untersuchung. Dagegen haben die Bewohner der Langenhorner Fritz-Schumacher-Siedlung etwas längere Wege zum Bus oder zur U-Bahn.

Bei der Umgestaltung bestehender Stadtviertel können deren Bewohner den Verkehrsplanern wichtige Hinweise geben. "Wild geparkte Fahrräder sind ein guter Indikator dafür, wo Fahrradstellplätze fehlen. Nicht genutzte Abstellanlagen sind ein Indikator für einen falsch gewählten Standort." Trampelpfade über Grünflächen zeigen, wo dringend ein Fußweg angelegt werden sollte. Schließlich bewegen sich Fußgänger nur aus eigener Kraft ohne Motorunterstützung und können Umwege nicht so gut wegstecken wie Autofahrer. Es liegt vor allem in der Hand von Stadt- und Projektplanern, Angebote zu schaffen, die den (teilweisen) Verzicht auf das Auto attraktiv machen, sodass in den Stadtvierteln nachhaltigere Verkehrsstrukturen zugunsten von mehr Wohnqualität entstehen.

Wie es gehen könnte, zeigt auch das Eimsbütteler Beispiel Stadthaus Schlump: Es besteht aus 44 Mietwohnungen und wurde 1996 bezogen. Autos sind erlaubt, aber reduziert: Den Bewohnern stehen 15 Parkplätze zur Verfügung plus fünf Plätze für Carsharing-Fahrzeuge. Und seit 1997 gibt es auch Stadthaus-Leihfahrräder.