Unabdingbare Fähigkeiten für den Aufbau der Themenwagen für den Erntedank-Umzug: handwerkliches Geschick und Improvisationstalent.

Pinneberg. Prüfend beäugt Alfred Hoffmann zwei Dachlatten, stellt sie im spitzen Winkel gegeneinander. "So - mach das hier mal fest", weist Hoffmann seinen Kompagnon Jens Ritter an und hält das Werkstück in Position. Ritter greift sich den Akkuschrauber, versenkt eine kurze Schraube per Knopfdruck im Holz. Latte für Latte nimmt der hölzerne Aufbau des traditionellen "Gemüsewagens" Kontur an. Mit schwarzem Edding sind Stichworte und Zahlen auf die Hölzer geschrieben: "Mitte vorne rechts" zum Beispiel. "Ohne die wären wir völlig aufgeschmissen", kommentiert Ritter.

Denn der Rohaufbau der acht bis neun Wagen, mit denen der Bürgerverein Waldenau-Datum Jahr für Jahr seinen Teil des örtlichen Erntedankumzugs bestückt, ist vor allem eins: ein gewaltiges Puzzlespiel. Und auf den meisten der Dutzenden von Hölzern in unterschiedlichen Längen fehlen hilfreiche Beschriftungen.

Mühle, Backstube, Bacchus- und Garbenwagen, der Wagen mit der Erntekrone als zentrales Stück des gesamten Festumzugs, Wappen- und Musikwagen sowie das Modell, das eine Miniaturausgabe des Torbogens vor dem früheren Gut Waldenau zeigt, müssen an diesem sonnigen Septembermorgen eine Woche vor dem großen Tag auf dem geräumigen Vorplatz des früheren Hofs Rechter aufgebaut werden.

Allerdings ist nach 50 Wochen im Lager nicht bei jedem der sorgfältig mit Draht verschnürten Lattenpakete auf Anhieb klar, wie die Teile im Detail zusammen gehören. Das herauszufinden ist der Job des runden Dutzends Herren in Latzhosen und Flanellhemden plus Mitstreiterin Manuela Hellwig rund um Festausschuss-Chef Jörn Lillie. Dass die Maße der Anhänger, die Baumschuler und Landwirte für den Umzug zur Verfügung stellen, von Jahr zu Jahr variieren, macht die Sache nicht einfacher für den Bautrupp.

Klaus Neumann, Ur-Waldenauer, Lillies Stellvertreter und seit einem Vierteljahrhundert Teil der Vorbereitungsteams, zuckt die Achseln: "Improvisation ist alles. Man muss wissen, wo man was im Notfall schnell mal findet." Auch Erfahrung und handwerkliches Geschick helfen. Denn wie immer die Fachleute es anstellen: Eine Woche vor dem großen Tag müssen die Unterkonstruktionen stehen, auf die die ehrenamtlichen Helfer fürs Binden am Tag vor dem Umzug Girlanden aus Blumen, Stroh und frisch geschnittenem Eichenlaub flechten werden.

Oberster Binder ist Alfred Hoffmann. Seit 1970 ist der Spezialist dabei, verarbeitet Tausende von exakt auf Länge gekürzten, sorgfältig getrockneten Strohhalmen in den drei Wochen vor dem Fest zur großen Erntekrone und zu Girlanden im Maxiformat. Fast 40 Meter davon braucht das Team allein für die Dekoration des Erntewagens.

Hoffmann, dessen Bruder Gerd zu denen gehörte, die die Tradition des Erntedankumzugs wiederaufleben ließen, erinnert sich noch gut an die bescheidenen Zeiten vor dem großen Landeserntefest 1988. Maximal zehn Festwagen zuckelten durchs Dorf.

Mit von der Partie war aber schon damals das älteste Stück des Spektakels: der zum "Weinfass" umgebaute ehemalige Jauchebehälter, auf dem Weingott Bacchus thront. Die hölzerne Requisite wird liebevoll gepflegt, denn: "So ein rundes Fass bekommt man ja heute kaum noch", erläutert Lillie.

Das Waldenauer Wagenensemble rund um "Bäuerliches Leben" ist das Kernstück eines der größten Erntedankumzüge in ganz Schleswig-Holstein. Am Sonntag, 2. Oktober, wird sich ein farbenfroher Umzug aus annähernd 50 Wagen und Gruppen durch den Pinneberger Ortsteil bewegen. Das kreative Spektakel mit 32 Treckern, fünf Musikzügen, jeder Menge Trachtengruppen und kiloweise Bonbons lockt Jahr für Jahr Tausende von Schaulustigen nach Waldenau und Datum. 62 Wagen und Gruppen waren es beim Landeserntefest 2010. "Mehr geht auch kaum", sagt Lillie. Dafür sorgt das begrenzte Straßennetz des dörflichen Ortsteils. Nach drei verregneten Jahren hofft der Bürgerverein diesmal auf gutes Wetter. Andernfalls bietet das große Festzelt, das die Helfer wie schon im vergangenen Jahr am Sportplatz Japoppweg aufstellen, Schutz.

Besondere handwerkliche Fachkenntnisse brauchen die Helfer nicht: "Jeder, der einen Schraubenzieher halten kann, ist uns willkommen", sagt Neumann. Und sei es, um den grünen Haltedraht um die Hänger zu binden. An diesem Jahr hat Jürgen Hilbers, Chef des Bürgervereins, den relativ eintönigen Job übernommen. "Spaß macht das nicht, aber was fertig ist, ist fertig." Auch Frieder Barth packt seit zehn Jahren beim Aufbau mit an: "Weil es dazugehört, wenn man in einer dörflichen Gemeinschaft wohnt." Ohnehin ist die alljährliche Ernteparty ein echtes Dorf-"Baby": "Der Verein ist der Motor des Festes, aber ohne das Dorf würde es nicht funktionieren", so Lillie. Die geschmückten Gärten, das Engagement von Schulen, Kirche, Vereinen: "Wir sind noch ein Umzug zum Anfassen, und stolz darauf", ergänzt Neumann.