Stromtrassen: Frühzeitige Bürgerbeteiligung ist Bedingung. Das kommt für Quickborn wohl zu spät

Kreis Pinneberg. Der Ausstieg aus der Atomenergie zum Jahr 2022 macht den Ausbau der Stromnetze in Schleswig-Holstein noch dringlicher. Denn im nördlichsten Bundesland, das schon heute die Hälfte seines Strombedarfs aus Windenergie speist, sollen bis dahin neue Windparks in der Nordsee und an der West- und Ostküste gebaut werden, die eine Gesamtleistung von 12 000 Megawatt haben. Ohne neue große Stromtrassen, die die alten 220 Kilovolt- in 380 kV-Leitungen ersetzen, würde diese Energie ungenutzt verpuffen. Deshalb hat die Landesregierung jetzt ein Beschleunigungsverfahren in Gang gesetzt, das alle sechs betroffenen Landkreise und Netzbetreiber auffordert, "alle in ihrem Vermögen stehenden Planungen und Maßnahmen im Sinne eines schnellstmöglichen Ausbaus der Netze voranzubringen".

Der Pinneberger Kreistag hat dieser Beschleunigungsvereinbarung jetzt "grundsätzlich" einmütig zugestimmt. Zugleich aber sollen auf Antrag der Grünen die Bürger "frühzeitig" beteiligt werden. So verpflichtet sich der Kreis Pinneberg, "dass die Verwaltung bei Projekten im Kreis Pinneberg die frühzeitige Bürgerbeteiligung zum Schutz der Bürger des Kreises einfordert, sicherstellt und konstruktiv begleitet."

Die Kreisverwaltung nimmt dieses Anliegen sehr ernst, betont Kreissprecher Marc Trampe. Die Verwaltung werde demnächst an einer Anhörung zum Netzausbau in Tönning teilnehmen, um Anregungen zu erhalten, wie diese Bürgerbeteiligung konkret umgesetzt werden kann.

"Wir dürfen die Bürger nicht erst beteiligen, wenn das Verfahren schon im Gange ist", begründete Helmuth Kruse für die Grünen diesen Antrag. Bei sämtlichen Planungsverfahren müssten "Voraussetzungen für Verhandlungen auf Augenhöhe geschaffen werden. Es müssen Formulierungen in allgemein verständlicher Sprache ausgeführt werden. Und es müssen bei Interessenskonflikten Alternativen bedacht, geprüft, verhandelt und umgesetzt werden." Hintergrund für diesen Vorstoß ist die schlechte Erfahrung mit dem bereits laufenden Planfeststellungsverfahren für den Ausbau des Stromnetzes von Dollern bei Stade bis Norderstedt.

Die Investoren-Firmen, ehemals E.on jetzt TenneT aus den Niederlanden, haben das neue Leitungsnetz auf den vorhandenen Stromtrassen überirdisch quer durch den Kreis Pinneberg geplant. Dabei verlaufen die neuen 380-kV-Leitungen künftig über bis zu 70 Meter hohe Masten zum Teil dicht an Häusern entlang. Proteste der Bürger und Verhandlungen mit Grundstückseigentümern konnten in Moorrege und Kummerfeld im letzten Moment noch verhindern, dass die Höchstspannungsleitungen sogar über die Häuser laufen. In Quickborn und Borstel-Hohenraden gelang dies bislang nicht. Dort sollen die Stromtrassen in unmittelbarer Nähe zur Wohnbebauung sowie Sportplätzen und Schulen stehen.

Das wollen zwei Bürgerinitiativen und Politik und Verwaltung so nicht hinnehmen. Sie fordern deshalb den Bau neuer sogenannter Wintrak-Masten, die weniger elektromagnetische Strahlung verursachen sollen, oder die Verlegung der Leitungen unter die Erde. Das Problem dabei: Der Bundestag hat Erdleitungen zur Ausnahme erklärt. Und die Wintrak-Masten werden zurzeit in den Niederlanden erprobt, seien aber in Deutschland nicht zugelassen, behauptet TenneT. Die zugelassenen Strahlen-Grenzwerte sind in Deutschland wiederum um den Faktor 250 höher als in den Niederlanden.

Darum sehe "die Taktvorgabe" so aus, ärgert sich Quickborns Bürgermeister Thomas Köppl. "Der Vorhabenträger zieht sich auf die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben zurück. Die Politik verweist auf die Strahlenschutzkommission - ja gesundheitsschädlich, aber mangels hinreichender Erkenntnisse keine Empfehlung. Geld für Untersuchungen steht nicht zur Verfügung, auch nicht für Pilotprojekte. Und mit dem erklärten Willen zur Energiewende wird zeitlicher Druck aufgebaut. Mit dieser Vorgehensweise sind wir bei allen Großprojekten schlecht beraten."

Deshalb wäre es "ein echter Beweis" für seine Glaubwürdigkeit, wenn Netzbetreiber TenneT jetzt auch für das laufende Verfahren in Quickborn eine bürgerfreundliche Lösung umsetze, forderte CDU-Ratsherr und Kreistagsabgeordneter Jörn Kruse. Gesetzlich verpflichtet ist TenneT dazu nicht. könnte so allerdings der drohenden Klage aus Quickborn aus dem Wege gehen.