Viele Kanzleien bieten jungen Anwälten attraktive Gehälter, fordern aber großen Einsatz

"Wer sich für Jura entscheidet, hat ein langes, schwieriges Studium vor sich", warnt Dr. Nadim Hermes von der Wirtschaftskanzlei "Buse Heberer Fromm". Durchschnittlich fünf Jahre Paragrafen durchforsten und Fälle analysieren bis zur "Ersten Juristischen Prüfung", dem sogenannten Ersten Staatsexamen. Danach folgt die zweijährige Referendarzeit, der wiederum das Zweite Staatsexamen folgt. Nicht wenige Berufsanfänger sind dann um die 30 Jahre alt. So wie Florian Agthe. Der 31-Jährige ist seit dem 1. April "Associate" bei Buse Heberer Fromm. "Für dieses Studium sollte man schon Ausdauer, Selbstdisziplin und Fleiß mitbringen. Und vielleicht auch vorab schon mal probeschnuppern", rät er. Zu Beginn seines Studiums sei der Hörsaal voll gewesen, "ein halbes Jahr später war nur noch die Hälfte dabei". Vielleicht habe die spezielle Juristen-Sprache abgeschreckt, vielleicht lag auch nicht jedem Studenten das logisch-analytische Denken, das im Jura-Studium gefragt ist. Agthe hingegen fasziniert das Eintauchen in immer neue Fälle sowie der Reiz des "Gewinnen-Wollens". "Ein Stück weit ist jeder neue Fall ein Spiel, das jede Seite gewinnen möchte. Da kommt dann auch durchaus Kreativität zum Zug."

Aktuell ist er mit Bank- und Kapital- sowie Kartellrecht befasst. "Ein Fall ist zum Beispiel die Betreuung eines Start-up-Unternehmens. Die haben eine tolle Idee und auch das Know-how zur Umsetzung. Aber es fehlt am Wissen, wie ein Unternehmen juristisch fundiert aufzubauen ist - da kommen wir ins Spiel", erklärt Agthe. Ein Spiel, hinter dem viel Arbeit steckt. Lange Arbeitszeiten sind für Anwälte nichts Ungewöhnliches. "Hier bei uns werden die Arbeitszeiten fair gehandhabt. In den heißen Phasen kann es schon mal spät werden, dafür gibt es in den ruhigeren Zeiten einen Ausgleich." Das sei nicht selbstverständlich, erzählt Agthe.

Während seiner Bewerbungsphase habe er finanziell sehr interessante Angebote bekommen, "aber es wurde auch betont, dass Arbeitszeiten von 13 Stunden täglich und Bereitschaft am Wochenende erwartet würden." Gerade große internationale Kanzleien erwarten außerordentlichen Einsatz von ihren Mitarbeitern, bieten aber auch gute Einstiegsgehälter. "Die können schon zwischen 65 000 und 95 000 Euro im Jahr liegen, und auch Perspektiven wie der Aufstieg zum Partner in etwa fünf Jahren sind gut möglich", sagt Agthe.

Für Oliver Eugenio sind Gehaltsverhandlungen noch Zukunftsmusik. Er durchläuft gerade seine letzte Referendarstation bei Buse Heberer Fromm im Bereich Insolvenz- und Immobilienrecht. Die zweijährige Referendarzeit soll den Studenten praktische Einblicke in verschiedene Rechtsbereiche bieten. "Als Erstes war ich bei der Staatsanwaltschaft in Schleswig Holstein und habe ganz unterschiedliche Fälle bearbeitet: Betrug, Diebstahl oder Jugendstraffälle. Am Zivilgericht ging es dann um Miet- oder Verkehrsstreitigkeiten, und als die Verwaltungsstation anstand, bin ich zur Kriminalpolizei gegangen", erzählt der 32-Jährige. Das sei zwar ausgesprochen spannend gewesen, manchmal aber auch an die Substanz gegangen.

Gerade diese Praxisnähe hatte er zunächst in seinem Studium vermisst. "Ich habe 2002 mit dem Studium begonnen und war nach acht Semestern scheinfrei. Damit hätte ich mich zum Examen anmelden können." Das jedoch hätte weiteres Bücherwälzen bedeutet. "Also habe ich stattdessen ein achtwöchiges Vertiefungspraktikum am Arbeitsgericht begonnen - und das gefiel mir so gut, dass anderthalb Jahre daraus wurden."

Gut möglich, dass er durch diese Verzögerung der sogenannten "Juristenschwemme" entkommen ist. Die Situation, dass zu viele Jura-Absolventen den Markt überschwemmt und schwierige Einstiegsbedingungen vorgefunden hätten, habe sich jedoch inzwischen entspannt, sagt Ulrike Hundt-Neumann, Vorsitzende des Hamburger Landesverbandes des Deutschen Anwaltvereins (DAV).

Hundt-Neumann rät denen, die die notwendigen Voraussetzungen mitbringen, durchaus zum Jurastudium. "Schon weil sich den Absolventen vielfältige Einsatzmöglichkeiten bieten: Vom Rechts- bzw. Staatsanwalt oder dem Richter über den Syndikus (Firmenanwalt) bis zu Anstellungen bei Krankenkassen und Versicherungen."