Die Journalistin Maria von Welser war 55 Jahre lang Protestantin. Dann wurde sie Katholikin - und gehört seither zu den kritischsten Stimmen der Kirche. Kraft und Energie tankt sie im Mariendom in St. Georg

Ihr Glaube hat nichts Kindliches. "Über ihn kann man nicht diskutieren", sagt die Journalistin Maria von Welser resolut. Weder fleht sie Gott in Notsituationen um Hilfe an, noch fragt sie ihn um Rat. "Das wäre ja albern, Entscheidungen treffe ich selber." Die 65-Jährige bezeichnet ihren Glauben an Gott als Nährboden und Orientierung für ihr Leben. Er gibt ihr Kraft und Energie. Die bekommt sie auch bei ihren regelmäßigen Besuchen im St. Marien-Dom. Das ist ihre Kirche.

Maria von Welser mag dieses prächtige Bauwerk in St. Georg. Rundherum das pralle Leben und dann dieser Moment der Stille, wenn sie das Gotteshaus betritt. Es ist ihre katholische Oase in der norddeutschen Diaspora.

Dabei ist Maria von Welser erst vor zehn Jahren zum katholischen Glauben übergetreten. 55 Jahre lang ist sie Protestantin gewesen, "aber ich habe mich immer im Herzen der katholischen Kirche zugehörig gefühlt", sagt sie. Das war schon als Kind so.

Sie wuchs am Tegernsee im tiefkatholischen Oberbayern auf. "Ich war das einzige Heidenkind in der Klasse." Der Pfarrer ließ sie zwar am katholischen Unterricht teilnehmen - in der letzten Reihe. Sie fühlte sich als Außenseiterin. "Ich wusste von der Nottaufe und flehte meine Freundinnen an, dass sie mich doch taufen sollten. Ich war doch in Not," erinnert sie sich. Sogar zur Kommunion ging sie, im weißen Kleid, mit Margaritenstrauß im Haar. Nur die Kommunion hat sie nicht empfangen, stattdessen war sie wieder mal die Randfigur. "Meine Eltern waren nicht sehr religiös und haben sich keine Gedanken darüber gemacht, wie ich mich da gefühlt habe." Sie wurde konfirmiert, "obwohl ich wusste, dass ich in der falschen Kirche war."

Doch erst in Mainz, als sie 1997 Redaktionsleiterin des Verbraucher-Magazins "Mit mir nicht! Welsers Fälle" wurde, hatte sie die Zeit, sich mit ihrem Übertritt zu beschäftigen. Zwei Jahre lang führte sie wöchentliche Konversionsgespräche unter anderen mit Kardinal Lehmann. "Das war eine sehr bereichernde Zeit für mich. Ich habe diese intellektuellen Auseinandersetzungen über alle Facetten des Glaubens sehr genossen." Als sie dann drei Jahre später katholisch getauft wurde, "war ich in meiner religiösen Heimat angekommen". Maria von Welser liebt die katholischen Rituale, das sinnliche Erleben einer Messe, das Beichten, "das doch sehr menschlich ist".

Wobei das nicht heißt, dass sie sich davon einlullen lässt, im Gegenteil. Die Journalistin gehört zu den kritischsten Stimmen der Kirche. "Ich kritisiere lieber von innen heraus als von außen." In flammenden Artikeln verurteilte sie den Ausstieg aus der Abtreibungsberatung, fordert die Aufhebung des Zölibats und mehr Macht für Frauen. "Der Zölibat ist doch überhaupt nicht mehr zeitgemäß. Wenn Pfarrer heiraten dürften, hätten sie doch viel mehr Ahnung von der Ehe", sagt sie. Sie möchte, dass Frauen in ihrer Kirche als Priesterinnen predigen dürfen. Doch sie ist auch realistisch: "Männer geben einfach nur ungern ihre Macht ab." Deswegen müssten Frauen mehr Druck machen.

Darin hat sie viel Erfahrung. Schließlich ist Maria von Welser bekannt geworden durch ihren Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen. Wer ihren Namen hört, denkt an "ML - Mona Lisa", auch wenn sie die ZDF-Sendung schon seit 14 Jahren nicht mehr moderiert. Aber sie hat das Frauen-Magazin mit entwickelt. Und das Frauenfernsehen revolutioniert. Denn statt Häkeltipps, berichtete ML über Abtreibungen, Mütterfeindlichkeit und Unterdrückung von Frauen.

Und 30 Jahre vor der aktuellen Quotendiskussion hat die Journalistin vorgelebt, dass Muttersein und Karriere möglich ist. "Als mich mal eine Redakteurin fragte, was mich für ML qualifiziert, habe ich gesagt: Mein gelebtes Frauenleben." Das bedeutet, frühe berufliche Verantwortung, bereits mit Anfang 30 leitete sie ein Ressort bei der Münchener "Abendzeitung", bevor sie zum Bayerischen Fernsehen, dann zum ZDF wechselte und zuletzt Direktorin des NDR-Landesfunkhauses Hamburg war. 2010 begann ihr "drittes Leben". Jetzt schreibt sie Bücher und Kommentare, ist stellvertretende Vorsitzende bei Unicef Deutschland.

Gelebtes Frauenleben bedeutet aber auch zwei Scheidungen, zwei Kinder von zwei Ehemännern, finanzielle Probleme. Sie kennt es, als Rabenmutter bezeichnet, als Frau in der Männerwelt nicht ernst genommen zu werden. "Das waren manchmal schon schwierige Zeiten, plötzlich musste ich Vater und Mutter in einer Person sein. 14 Jahre war ich alleinerziehend" sagt sie ungewöhnlich offen. Denn Maria von Welser ist merklich vorsichtig, eben Medienprofi. Privates lässt sie nur Stückchenweise raus. Doch manchmal fällt die Maske dieser fast unnahbaren Frau und das Gesicht mit den klaren, hellen Augen nimmt weiche Formen an. Wenn sie zum Beispiel über ihren dritten Ehemann spricht. "Er gehört zu einem meiner wichtigsten Wendepunkte im Leben. Wir haben gemeinsam komplett neu angefangen". Das war 1993.

Sie entspannt sich auch, wenn sie über ihren Glauben redet. Vor allem abends sucht sie das Zwiegespräch mit Gott, liest in der Bibel, die auf ihrem Nachttisch liegt. Natürlich ist Gott für sie kein Mann, sondern ein Mischung aus Mann und Frau, ein "Hermaphrodit", ein allumfassendes, verzeihendes Wesen. Es gab bisher keine Momente des Zweifels an ihm, weder als sie an den Massengräber von Ruanda stand, noch als sie die schrecklichen Geschichten der vergewaltigen Frauen aus Bosnien hörte. Die Frage, warum Gott soviel Ungerechtigkeit in der Welt zulassen kann, stellt sie sich nicht. "Diese Gräueltaten wurden von Menschen begangen, dafür kann Gott nichts."

Maria von Welser hält einen Moment inne und schaut in die Kuppel des St.-Marien-Doms. Sie hat die Sanierung des Backsteinbaus auch beruflich begleitet. Und sich daran gefreut, als vor drei Jahren "viele Hamburger aller Religionsgruppen" zur feierlichen Wiedereröffnung des Gotteshauses kamen und "die Kirche überquoll von Menschen". Dann zeigt sie auf das Hauptmotiv im goldenen Mosaik: Maria neben dem erwachsenen Jesus. "Mir gefällt hier so gut, dass Maria gleichberechtigt neben ihrem Sohn steht." Da ist es wieder, ihr Lebensthema.

Der St.-Marien-Dom ist die Kathedralkirche des Erzbistums Hamburg. www.mariendomhamburg.de