Neue Medien spielen im Internationalen Maritimen Museum künftig eine stärkere Rolle

Museen leben von ihren Originalen. Besteht doch der besondere Reiz dieser Institutionen darin, dass Menschen, die in unserer digitalen Zeit immer mehr mit virtuellen Bildern und Inhalten konfrontiert werden, hier authentischen Zeugnissen der Kulturgeschichte begegnen können. Ein originales Gemälde oder ein Arbeitsgerät, ein Werkzeug oder ein Kleidungsstück, das vor Jahrhunderten einmal von Menschen hergestellt, gebraucht und getragen wurde, hat eine Aura, die kein digitales Medium reproduzieren kann.

Trotzdem setzt nun auch das Internationale Maritime Museum Hamburg stärker als bisher auf digitale Medien. Dabei geht es nicht nur um einen neuen, deutlich verbesserten Internet-Auftritt, um die Präsenz in Facebook, um eine Museums-App und einen eigenen You-Tube-Kanal, in den Mitarbeiter und Freunde des Museums Filme stellen können, sondern auch um digitale Elemente innerhalb der Ausstellung.

Ab September werden an zunächst sechs verschiedenen Stellen im Haus große Monitore zu finden sein, auf denen Inhalte der Ausstellung abgerufen werden können. Möglich wird das durch eine inhaltliche wie technologische Zusammenarbeit mit der Firma Rolls Royce Marine in Deutschland, die sich zurzeit in Hamburg-Wilhelmsburg niederlässt und einen Kooperationsvertrag mit dem Internationalen Maritimen Museum geschlossen hat.

Aber wie verträgt sich Touch-Hardware mit historischen Schiffsmodellen oder mit originalen Prachtbänden aus dem 17. Jahrhundert? Für Ausstellungsmacher Holger von Neuhoff passt das gut zusammen. "Für uns sind digitale Medien kein Selbstzweck. Wir setzen sie grundsätzlich nur dort ein, wo sie ihre Stärken ausspielen können. Und natürlich ersetzen sie die Originale nicht, beziehen sich aber auf sie. Sie sind keine nette Spielerei, sondern vermitteln tatsächlich Inhalte. Und das geschieht in einer Weise, die sie vor allem jungen Museumsbesuchern vertraut ist", sagt von Neuhoff.

Wie das praktisch funktioniert, können Museumsbesucher schon jetzt auf Deck drei erproben, auf dem es um die Geschichte des Schiffbaus geht. Zu dem absoluten Spitzenstücken in dieser Abteilung gehört das 1684 von William Keltridge veröffentlichte Werk "Hulls of Ships". Die darin enthaltenen Tabellen, Berechnungen und Zeichnungen waren ein wichtiger Schritt hin zu den wissenschaftlichen Methoden der Schiffskonstruktion. Die kolorierten Risszeichnungen stehen offenbar in Zusammenhang mit einer seit 1684 durchgeführten Neuorganisation der Royal Navy unter Leitung des Staatssekretärs Samuel Pepys. Typisch für Keltridge ist der am Kiel nicht tangential anschließende Vorsteven.

Der Laie wird die Details der Zeichnungen freilich kaum verstehen, aber der ästhetische Reiz dieser an sich nur unter technischen Gesichtspunkten entstandenen Schrift ist erheblich. Aus konservatorischen Gründen kann der Prachtband, von dem es weltweit nur noch wenige Exemplare gibt, nur unter stark gedämpften Licht gezeigt werden.

Außerdem stellt sich hier ein Problem, das mit jeder musealen Präsentation eines Buches verbunden ist: Man sieht jeweils nur einen Ausschnitt der gerade aufgeschlagenen Seiten. Hier hilft die digitale Präsentation weiter, denn durch das Berühren des Bildschirms können Besucher das berühmte Werk von Keltridge besser kennen lernen. Zunächst können sie es durchblättern, wie jedes normale Buch. Es ist aber auch möglich, einzelne Bereiche zu vergrößern, sodass Details besser sichtbar werden. Außerdem sind auf jeder Seite zusätzliche Textinformationen abrufbar. Und schließlich ermöglicht eine Art Memory-Spiel vor allem jüngeren Besuchern einen spielerischen Zugang zu dem Werk.

Die dafür notwendige Software hat Rolls Roys Marine in Deutschland in enger Abstimmung mit dem Museum erarbeitet. Auf die Frage, warum sich eine Technologie-Firma auf diese Weise für ein Museum engagiert, antwortet General Sales Manager Bernd Wittorf: "Unser Geschäftsfeld ist schifffahrts- beziehungsweise schiffbaubezogen. Da liegt es uns am Herzen, dieses interessante und vielfältige Gebiet vielen Menschen zugänglich und begreifbar zu machen. Wenn dabei, wie im Maritimen Museum mit den neuen Monitoren, auch die jüngere Generation angesprochen wird, um so besser." Vielleicht könne man auf diese Weise auch zukünftige Mitarbeiter gewinnen, meint Wittorf, der auch weiterhin mit dem Museum kooperieren möchte.

Auch im Eingangsbereich wird ab September ein neuer Monitor stehen, der den Besuchern einen Überblick über das Museum ermöglicht. "Auf dem Touchscreen kann man sich dann über die einzelnen Abteilungen des Museums informieren und sich damit gleich am Anfang aus der Fülle des Angebots die Themen und Objekte auswählen, die jeweils besonders interessieren", sagt Holger von Neuhoff.

Und dann fügt er hinzu: "Dieser virtuelle Rundgang soll natürlich den tatsächlichen Rundgang nicht ersetzen, denn obwohl wir unser Haus jetzt digital stark aufrüsten, zählt auch in Zukunft vor allem eines: Die Begegnung mit den Originalen."

Internationales Maritimes Museum Hamburg Kaispeicher B, Koreastraße 1, Di/Mi, Fr/Sa u. So 10.00-18.00, Do bis 21.00