Was Bremens Kunsthallen-Chef Wulf Herzogenrath über Hamburgs Museen denkt

Prof. Wulf Herzogenrath, 67, ist einer der erfolgreichsten deutschen Ausstellungsmacher. 1994 wurde er Direktor der Bremer Kunsthalle, deren Erweiterung und Modernisierung im Herbst abgeschlossen sein wird. In Bremen zeigte er Ausstellungen wie "Monet und Camille - Frauenportraits im Impressionismus" oder "Paula in Paris" (über Paula Modersohn-Becker), die auch überregional stark beachtet wurden. Herzogenrath ist auch mit der Hamburger Museumsszene bestens vertraut, als externer Experte gehört er dem Stiftungsrat der Hamburger Kunsthalle an.

Museumswelt:

Im vergangenen Jahr gab es zwischen der Hamburger Kulturpolitik und den Museumsstiftungen erhebliche Konflikte. Wie haben Sie das wahrgenommen?

Wulf Herzogenrath:

Von außen betrachtet sind die Hamburger Probleme im Vergleich zu den Schwierigkeiten, die Museen in anderen Städten haben, eher marginal. Die negative Wirkung der damaligen Auseinandersetzungen war jedoch enorm. Eigentlich hätte man die Probleme intern regeln können und müssen, der Imageschaden für die Hamburger Museumsszene ist jedenfalls immens. Und es braucht sicher einige Zeit, ehe Hamburg wieder so im Glanze stehen wird, wie es sich für eine so wichtige Museumsstadt eigentlich gehört.

Die Hamburger Museumsstiftungen sind strukturell unterfinanziert. In Bremen stehen Sie kurz vor der Eröffnung einer prächtig erweiterten Kunsthalle. Was unterscheidet die beiden Hansestädte?

Herzogenrath:

Jedenfalls nicht das Geld, das in Bremen sicher noch knapper ist als im vergleichsweise wohlhabenden Hamburg. Wir sind froh, dass die Museen nicht mehr Zankapfel zwischen den politischen Parteien sind, sondern dass die Politik zum Beispiel von "unserer Kunsthalle" spricht. Das ist ein sehr positiver Ansatz.

Hat die Hamburger Museumsszene zu wenig Selbstbewusstsein?

Herzogenrath:

Es mangelt vielleicht eher an Konzentration und Kooperation. Wichtig wäre es, gemeinsam mit der Stadt und dem Tourismusbereich neue Schwerpunkte zu setzen, damit die Museen stärker überregional ausstrahlen können.

Vor einem Jahr plante der damalige Hamburger Kultursenator die Schließung des Altonaer Museums.

Herzogenrath:

Abgesehen davon, dass die Schließung gar kein Geld gespart hätte, war die große Welle der Solidarität und Begeisterung, mit der die Bürger diese Pläne verhindert haben, wirklich bewundernswert. Die Verbundenheit der Bürger mit ihren Museen ist hanseatisch und auch für Bremen typisch. Der Bremer Kunstverein, der die Kunsthalle trägt, hat mehr Mitglieder als die seit Kriegsende regierende Volkspartei SPD.

Die Bremer Kunsthalle ist erst 1996 bis 1998 für damals 25 Millionen Mark renoviert worden, weshalb machen Sie jetzt schon wieder alles neu?

Herzogenrath:

Weil wir uns damals den ganz großen Wurf noch nicht zugetraut haben. Außerdem haben sich auch die praktischen Anforderungen für ein Haus, das große Ausstellungen macht, stark verändert. Einige der Probleme lassen sich erst jetzt wirklich lösen. Das betrifft zum Beispiel das Depot, die Restaurierungsräume und die Museumspädagogik, die jetzt erstmals angemessene Räume erhält. Unter den bisherigen Rahmenbedingungen hätten wir unser heutiges Programm nicht dauerhaft realisieren können. Und mit den Erfolgen der vergangenen Jahre wuchs auch der Mut, ein so großes Projekt tatsächlich in Angriff zu nehmen.

Sie haben in den vergangenen anderthalb Jahrzehnten mit Blockbuster-Ausstellungen, auf die man in Hamburg mit einem gewissen Neid blickte, Maßstäbe gesetzt. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept?

Herzogenrath:

Das ist sehr einfach: Die Ausstellung muss von mindestens einem singulären Meisterwerk aus der Sammlung ausgehen, mit der sich dann auch die Bevölkerung identifizieren kann. Zweitens muss wissenschaftlich die Besonderheit herausgearbeitet werden. Wichtig ist außerdem ein Marketing, das populär ist, ohne populistisch zu sein.

Wie schaffen Sie es, dass etwa 80 Prozent der Besucher der großen Ausstellungen von außerhalb kommen?

Herzogenrath:

Zum Beispiel, indem wir unser Publikum pflegen - von Kunstvereinen bis hin zu einer interessierten Damengruppe aus Köln, die genau weiß, dass es alle zwei Jahre eine große Ausstellung gibt, die - wie ab Oktober unsere Munch-Schau - die Reise nach Bremen lohnt.

Sie treten im September in den Ruhestand und überlassen Ihrem Nachfolger Christoph Grunenberg das Feld. Was tut ein emeritierter Museumsdirektor?

Herzogenrath:

Das, was er eigentlich am liebsten tut, nämlich inhaltlich zu arbeiten. Ich habe an der Berliner Akademie der Künste das John-Cage-Jahr angeregt und stelle dort ab März 2012 John Cage als bildenden Künstler vor. Ich werde also auch weiterhin Ausstellungen kuratieren.