An was glauben Sie? Es gab Zeiten, in denen Zodwa Selele an Gott zweifelte. Doch inzwischen ist er ein fester Anker im hektischen Leben der “Sister-Act“-Hauptdarstellerin. Sucht sie Ruhe, kommt sie zum Mahnmal St. Nikolai

Das Mahnmal St. Nikolai hat Zodwa Selele mit Bedacht gewählt Denn die Ruine gehört zu ihren Anfängen in Hamburg. Schon vor acht Jahren während ihrer Ausbildung an der Joop-van-den-Ende-Academy kam sie hierher regelmäßig. Genoss die Aussicht auf den Hafen. Die Ruhe in der Krypta. Damals war sie Tanzschülerin, heute ist sie ein Musicalstar, spielt die Hauptrolle bei "Sister Act". Die Ruine ist ihr ein Zufluchtspunkt geworden, fern vom hektischen Showbusiness. Hier findet sie Abgeschiedenheit, einen Kontrapunkt zur glamourösen Welt, in der die 33-Jährige sich abends bewegt. Und hier spiegeln sich im Paradox des zerstörten und dennoch erhaltenen Gotteshauses auch die Themen, die sie seit Jahren beschäftigen, allen voran der Umgang mit Tod und Verlust.

Der sinnlose Tod

Es habe in ihrem Leben eine Zeit gegeben, so erzählt die zierliche, dunkelhäutige Tänzerin mit ruhiger Stimme, da habe sie mit Gott nichts mehr zu tun haben wollen. Ein Jugendfreund war gestorben, überfahren von einem Auto, mit dreizehn Jahren. Dreizehn war auch Zodwa damals, mitten in den Vorbereitungen zur Konfirmation. "Ich war so sauer auf Gott und die Welt", erinnert sie sich. Nicht dem Autofahrer, sondern Gott gab sie die Schuld am Tod des Jungen.

Bis dahin war ihr Leben stark von den Ritualen der Kirche bestimmt gewesen. Für ihre aus Südafrika stammenden Eltern bot die Kirchengemeinde im fränkischen Kirchenlamitz einen Anker, ein Stück Heimat in der Fremde. Für die junge Zodwa waren der sonntägliche Gottesdienst, das Zugehörigkeitsgefühl und auch der Glaube an einen gütigen Gott eine Selbstverständlichkeit gewesen, die nicht hinterfragt werden musste.

Das änderte sich nun radikal. Sie zweifelte an Gottes Existenz und besuchte danach drei Jahre lang keinen Gottesdienst mehr. "Niemand konnte mich damals wieder vom Glauben an Gott überzeugen", sagt sie, und man hört ihn heute noch, den jugendlichen Trotz in ihrer Stimme.

Sie stürzte sich in eine verzweifelte Suche nach einem Sinn im Leben, beschäftigte sich mit dem Islam und dem Buddhismus. Doch nirgends stellte es sich ein, dieses Heimatgefühl, das sie aus dem Christentum kannte. Ohne die Kirche fühlte sich Zodwa verloren in der Welt. Die Rettung kam in Gestalt ihrer Großtante aus Südafrika, einer Pastorin. "In langen Gesprächen hat sie mich zurück zu Gott geführt." Dafür ist Zodwa dankbar, denn der Glaube zentriert sie, gibt dem unruhigen, manchmal sicher auch oberflächlichen Leben als Musical-Star Tiefe.

Eines ist ihr aus der damaligen Zeit geblieben: Das nagende Gefühl, dass Gott diesen sinnlosen Tod des Freundes nicht hätte zulassen dürfen. Dieses Trauma hat sie inzwischen bereits mehrfach eingeholt, andere nahe Menschen sind gestorben.

Nein - daran will sie jetzt nicht rühren, unruhig steht sie auf, geht mit langen Schritten zwischen den Resten der Kirchenwände auf und ab, bleibt plötzlich stehen. "Mit dem Tod kann ich bis heute noch nicht gut umgehen", sagt Zodwa Selele und starrt durch das Gerippe eines Kirchfensters der ehemaligen Hauptkirche St. Nikolai.

Das ist etwas, was sie im Leben noch erledigen muss. "Ich habe das Verarbeiten der Trauer bis heute vor mir hergeschoben."

Im Einklang mit Gott

Davor kann selbst ihr Glaube sie nicht bewahren, aber er hilft ihr durch solche Täler. Vor jedem Auftritt betet sie, liest in der Bibel. Psalm 91 und 27: "Eins bitte ich vom Herrn, das hätte ich gern: Dass ich im Hause des Herren bleiben möge mein Leben lang." Ihre Art sich zu fokussieren, den Punkt zu finden. "Wenn ich bete, dann blende ich alles andere aus, dann bin ich nicht ansprechbar, ganz egal, wo ich bin."

Auf der Bühne fühlt sie sich mit Gott im Einklang. "Mein Beruf ist für mich Berufung. Es ist das, was mich glücklich macht."

Denn Gott hat jeden Menschen mit einer besonderen Gabe ausgestattet, da ist sie sicher. Auch sie, das spüre sie immer wieder in der Reaktion von Menschen, denen sie begegne. Sie hofft, dass sie ihnen hilft, für ein paar Stunden ihre Probleme zu vergessen. "Wenn ich auch nur einen einzigen Menschen berühren kann, dann fühle ich mich in dem, was ich tue, bestätigt, denn dann mache ich alles richtig." Wenn sie solche Sätze sagt, erscheint die ohnehin jugendliche wirkende Frau fast kindlich, wie jemand, der einen strengen Vater besänftigen möchte, weil er insgeheim fürchtet, eines Tages für seinen Mut bestraft zu werden.

Die Reißleine im Leben

Denn eine gehörige Portion Mut hat Zodwa Selele gebraucht, um alle Sicherheiten hinter sich zu lassen und sich dem Traum vom Tanzen zu erfüllen. Schließlich hatte sie schon vorher einiges erreicht, hatte ein Studium als Wirtschaftskorrespondentin abgeschlossen und erfolgreich ein Modegeschäft geführt. Galt mit 25 eigentlich auch schon als zu alt, um noch als Musical-Profi durchzustarten.

Aber die Sehnsucht nach Tanz und Gesang, nach einem Leben auf den Bühnen dieser Welt, ließ ihr einfach keine Ruhe. Ein Kindertraum drängte hier auf Erfüllung, schließlich hatte sie schon als Siebenjährige im Kirchenchor gesungen und in der fränkischen Heimat auf der Bühne gestanden. War dort, gemeinsam mit ihren Geschwistern auch schon aufgefallen, hatte bereits Erfahrung damit, wie es ist, wenn aller Augen auf einem ruhen.

Es ließ sie nicht los, als sie im Hörsaal saß, auch nicht, als sie mit ihrem Geschäft gutes Geld machte. Spät erst zog sie die Reißleine in ihrem Leben, setzte zur radikalen Kehrtwende an - gegen den besorgten Rat der Eltern - aber letztlich mit Erfolg.

Heute ist sie als Hauptdarstellerin in "Sister Act" in die Fußstapfen von Whoopi Goldberg getreten. Zur Premiere vor einem Jahr reisten sämtliche Familienmitglieder aus der ganzen Welt an. Dass sie in ihrer Hauptrolle als Deloris nun auch noch eine "falsche" Nonne darstellt, über diese Art von Ironie in ihrem Leben kann Zodwa nur schmunzeln. Auf dem Weg nach oben mussten Durststrecken, Krisen überwunden werden. Dieses verloren gegangene und nun wiedergefundene Gefühl - man mag es Gottvertrauen nennen - hat sie dabei begleitet.