Vor der vergangenen Saison war die Zielstellung eindeutig: Der mit vielen Nationalspielern und Altstars gespickte, teure Kader sollte und musste die Qualifikation für die Champions League erreichen. Das Ergebnis ist bekannt. Die Mission scheiterte grandios, was offensichtlich vor allem daran lag, dass viel zu selten eine funktionierende Mannschaft auf dem Platz stand. Die lang anhaltende Führungskrise erschütterte den HSV daraufhin bis in die Grundfesten und machte vor keinem Gremium Halt, der Verein verlor bundesweit an Image, an Reputation. Am Ende mussten die Vorstände Bernd Hoffmann und Katja Kraus den Klub verlassen, Bastian Reinhardt wechselte in die Nachwuchsabteilung.

Mit deutlich reduzierten Personalkosten wurden das Team und der Betreuerstab von der neuen Klubführung - Carl-Edgar Jarchow, Joachim Hilke und Frank Arnesen - runderneuert. Und bereits in den ersten Monaten wurde ersichtlich, was künftig Priorität hat. Die nicht leistungsfördernde Hierarchie in der Mannschaft wurde gezielt aufgebrochen, stattdessen wurden junge Talente verpflichtet. Trainer Michael Oenning und Arnesen versuchten während der Vorbereitung, mit etlichen Gesprächen und vielen teambildenden Maßnahmen die Basis für ein neues, lange vermisstes Wir-Gefühl zu legen. Mit seinem hanseatisch-zurückhaltenden Stil schaffte es Jarchow zudem, zumindest diesen Sommer die Krisenstimmung rund um den Verein zu verscheuchen. Die Zahl der verkauften Dauerkarten hat inzwischen entgegen allen Unkenrufen wieder das Vorjahresniveau erreicht, was auch für den noch sensibleren Bereich der Logen und Business-Sitze zutrifft.

Wenn nicht alles täuscht, werden die HSV-Fans den Kurs der finanziellen Konsolidierung und des nicht nur auf diese Saison angelegten Neuaufbaus tragen und unterstützen, weil sie hoffen, dass der von allen vermisste und so sehnlich erhoffte Erfolg wahrscheinlicher wird, wenn ein Fußballlehrer wie Oenning die nötige Zeit bekommt, seine Vorstellungen umzusetzen. Dass es Dortmunds Trainer Jürgen Klopp auf genau diesem Weg bis zur Meisterschaft gebracht hat, dürfte die nötige Geduld in der Anhängerschaft, der Klubführung und in den Medien fördern.

Es wäre zwar überraschend, gäbe es in den kommenden Monaten keine Rückschläge; umgekehrt verfügt der HSV 2011/12 jedoch weiter über genügend Qualität, um zu verhindern, dass der Klub, wie von einigen Experten befürchtet, wirklich in Abstiegsgefahr gerät. Wenn doch, wird sich erst dann zeigen, ob die Aufbauarbeit von Jarchow, Oenning, Arnesen & Co. tatsächlich für eine Gemeinschaft gesorgt hat, die auch einen "Stresstest" ohne größeren Schaden übersteht.