Gamze wird Zahnmedizinische Fachangestellte. Von zahlreichen Absagen ließ sie sich nicht entmutigen

Eigentlich wollte Gamze den Realschulabschluss machen. Doch zu Anfang der zehnten Klasse an der Stadtteilschule am Hafen stellte sie fest, dass ihre Zensuren in einigen Fächern dafür nicht ausreichen würden. Die Anforderungen in Englisch und Biologie, vor allem aber in Mathematik, bereiteten ihr Bauchschmerzen.

Also musste ein Plan B her! Gamze beriet sich mit ihren engsten Freundinnen und mit den Eltern. Nach einigem Hin und Her stand schließlich fest, dass sie mit der Schule Schluss machen würde und dass dringend ein Ausbildungsplatz her musste. Ein Beruf, in dem sie viel mit Menschen zu tun haben würde, und gern auch im medizinischen Bereich sollte es sein.

Durch eine Freundin, die in einer Zahnarztpraxis untergekommen ist, wurde Gamze auf die Koordinierungsstelle Ausbildung der Arbeitsstiftung Hamburg aufmerksam. Sie nahm Kontakt auf und erhielt einen ersten Beratungstermin.

"In den darauffolgenden Wochen haben mich die netten Mitarbeiter der Arbeitsstiftung Hamburg unglaublich unterstützt. Sie haben mir dabei geholfen, mich bei der Vielzahl von möglichen Berufen zu orientieren und freie Ausbildungsstellen ausfindig zu machen, Bewerbungen zu schreiben und auch Bewerbungsgespräche vorzubereiten", erzählt die 16-Jährige aus dem Hamburger Stadtteil St. Pauli.

Während der Beratung kristallisierte sich schnell heraus, dass Gamze am liebsten Zahnmedizinische Fachangestellte werden wollte. Ein Praktikum in einer Zahnarztpraxis hatte sie bereits in den Schulferien gemacht. Die Arbeit in der Praxis hatte ihr sehr gefallen.

Voller Tatkraft und Enthusiasmus schickte sie also etwa 20 Bewerbungen ab, doch es hagelte immer wieder neue Absagen. "Das war unglaublich frustrierend", erinnert sich die Deutsch-Türkin. "Ich habe verzweifelt nach Gründen gesucht, woran es liegen könnte, und mich in dieser Zeit überhaupt nicht gut gefühlt. Mitunter habe ich sogar schon an mir gezweifelt." Doch sie ließ den Kopf nicht hängen, sondern entwickelte einen Alternativplan. Für den Fall, dass sie keinen Ausbildungsplatz gefunden hätte, wollte sie die Berufsfachschule Gesundheit an der Burgstraße besuchen. Die Schule bietet eine Grundbildung für gesundheitspflegerische Berufe an, deren Abschluss mit dem einer Realschule gleichwertig ist. Außerdem ist ein vier- bis sechswöchiges Praktikum im gesundheitspflegerischen Bereich integriert. Ziel ist es, den Arbeitsalltag kennenzulernen und die Berufswahl zu überprüfen.

Aber fünf Monate nach dem ersten Gespräch mit der Arbeitsstiftung wurde Gamzes Traum dann doch wahr. Sie erhielt den Zuschlag für einen Ausbildungsplatz in der Praxis von Dr. Mehrdad Arjomand & Partner in der Innenstadt. "Ich konnte mein Glück gar nicht fassen. Meine Eltern, meine jüngeren Geschwister und meine Freunde, sie alle haben sich mit mir gefreut", sagt Gamze. Ihre Ausbildung, die insgesamt drei Jahre dauern wird, hat sie am 1. Juni begonnen. Seitdem fährt sie jeden Morgen frohen Mutes und voller Elan in die Praxis, denn die dort anstehenden Aufgaben machen ihr viel Spaß.

Zahnmedizinische Fachangestellte sind in Zahnkliniken, Zahnarztpraxen, kieferorthopädischen und kieferchirurgischen Praxen tätig. Sie betreuen Patienten vor, während und nach einer Behandlung und assistieren dem Zahnarzt bei der Behandlung. Außerdem führen sie Hygienemaßnahmen durch, bereiten das Material für Füllungen oder Gebissabdrücke vor und wirken bei der Erstellung von Röntgenaufnahmen mit. Den Patienten erklären sie auch die Möglichkeiten der Karies- und Parodontalprophylaxe.

Ist eine Behandlung beendet, müssen sie den Behandlungsstuhl, die Arbeitsflächen sowie sämtliche Geräte und Instrumente desinfizieren. Hinzu kommen Aufgaben wie die Dokumentation von Behandlungsabläufen, die Erfassung erbrachter Leistungen für die Abrechnung, die Organisation von Praxisabläufen, Terminplanung und Schriftverkehr. "Der Beruf ist extrem vielschichtig, weil man sowohl am Patienten als auch hinter dem Schreibtisch arbeitet", schwärmt Gamze.

In den letzten Wochen war sie vor allem mit Hygienemaßnahmen beschäftigt. Auch die Behandlungen ihres Chefs hat sie teilweise schon vorbereitet. Gamze ist rundum zufrieden - und der Stress der letzten Monate sind längst vergessen.

Ob sie es je bereut hat, die Schule verlassen zu haben? "Einerseits bin ich froh, dass die Schule nun endgültig vorbei ist, andererseits vermisse ich den engen Kontakt mit den Mitschülern. Wenn man arbeitet, muss man eine Menge dafür tun, seine privaten Kontakte aufrechtzuerhalten."

Demnächst wird für die junge Frau der Berufsschulunterricht beginnen. Auf dem Stundenplan steht dann auch das Fach Mathe. Davor graut es Gamze ein wenig, doch sie wirkt fest entschlossen. "Ich bin sicher, dass ich das diesmal packen werde, auch ohne Realschulabschluss."