Ökotextilien sind in, aber oft noch nicht konsequent sozialverträglich durchgestylt

Grün wird Mode. Vielleicht nicht als Farbe, wohl aber als Qualitätsbegriff für Textilien, die umweltschonend und ohne Ausbeutung von Arbeiterinnen hergestellt sind. Von ehrgeizigen Designteams über das Pionierunternehmen Hessnatur bis zu den Biobaumwoll-Linien von Mode- und Versandhäusern: Wer sich im ethischen Sinne sauber kleiden will, findet ein breites Angebot, das jedoch oft noch nicht konsequent ökologisch und sozialverträglich durchgestylt ist.

"Bio plus fair ist immer noch schwierig", urteilt Kirsten Brodde, Journalistin und Fachfrau für Ökotextilien. "Gerade die großen Anbieter wie H&M oder C&A lassen zwar Kleidung aus Biobaumwolle fertigen. Aber sie halten den ökologischen Anspruch nicht vom Acker bis zum Schrank durch." Nicht selten sei auch Bioware unter niedrigen Sozialstandards genäht worden oder die Stoffe würden in den Herstellerländern mit umweltschädlichen Chemikalien behandelt, die dann "regelhaft irgendwo in die Flüsse eingeleitet werden".

"Biobaumwolle ist nicht die Lösung aller Dinge", findet Prof. Renata Brink vom Department Design an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften. "Wir können nicht die ganze Welt mit Biobaumwolle einkleiden, sondern brauchen verschiedene Strategien", betont die Professorin, die seit einigen Jahren das Thema grüne Textilien verstärkt in ihre Seminare einfließen lässt und dabei, wie sie sagt, auf großes Interesse stößt.

Brink nennt als Alternativen Zellulosefasern (Viskose, Azetat), Polyäthylen und Polyester, allgemein "alles, was sich recyceln lässt". Neben dem Material gehe es auch um neue Systeme, um die Wiederverwendung von getragenen Stoffen, wie es zum Beispiel die Modemacher von Redesign Hamburg an der Marktstraße vormachen. Synthetikfasern eignen sich generell besser für das Recycling als Naturfasern, die vergänglicher sind und deshalb zukünftig eher kompostiert und in den natürlichen Nährstoffkreislauf eingespeist werden sollten.

Ein großes Manko für alle ökologisch und sozial optimierten Textilien ist die fehlende einheitliche Kennzeichnung. Es gibt zwar ein sehr strenges Label namens GOTS (Global Organic Textile Standard) für Stoffe, die zum Beispiel die Hamburger Modewerkstatt recolution einsetzt. Doch am Markt sind solche Kleidungsstücke mit dem grünen Signet Mangelware.

Die Zertifizierung sei viel schwieriger als bei Biolebensmitteln, betont Renata Brink: "Es handelt sich um komplexe Prozesse, bei denen beim Anbau der Naturfasern, beim Bleichen, Veredeln, Färben und Druck Umweltbelastungen entstehen." Hinzu kommt das Problem der Arbeitsbedingungen in den Nähereien. Betriebe in der Türkei haben sich dem Problem zum Teil gestellt, führten höhere Sozialstandards ein und ließen sich diese zertifizieren, um der Konkurrenz voraus zu sein. Besonders in asiatischen Ländern herrsche jedoch Nachholbedarf, sagt Kirsten Brodde und betont zugleich, dass es "wir, die Abnehmerländer" sind, die mit ihren Niedrigpreisdiktaten die teils verheerenden Arbeitsbedingungen verursachen.

Seit Februar gibt es nun für ökofaire Kleidung das Umweltzeichen Blauer Engel. Anbieter müssen einen umfassenden Kriterienkatalog erfüllen. Doch noch sind keine Marken und Produkte gelistet. Was ist also zu tun, wenn die Lust auf grüne Mode geweckt ist?

Kirsten Brodde empfiehlt Einsteigern, zunächst dort, wo sie gern einkaufen, nach Textilien aus Biobaumwolle zu suchen. Im zweiten Schritt sollten sie dann mehr Ehrgeiz entwickeln und die grüne Modebranche unterstützen. Hamburg sei da im Vergleich zu anderen Städten recht gut aufgestellt, grüne Labels seien über die Stadt verteilt. Brodde: "Ich gehe in der City gern zum Laden von Hessnatur und fast gegenüber zu Grüne Erde." Weitere gute Adressen seien Marlowe nature am Grindel, Glore im Karolinenviertel und May Green in Ottensen. Und im Internet haben sich grüne Modeschöpfer bei Avocado Store versammelt, der sein virtuelles Ökokaufhaus vom Schulterblatt aus betreibt.

Während grüne Mode vor einigen Jahren noch ein kleines Licht am Himmel war, sei sie mittlerweile zum "Zentralgestirn mit ordentlicher Leuchtkraft herangereift", urteilt Kirsten Brodde. Design-Professorin Renata Brink setzt darauf, dass die Modemacher am Thema dranbleiben. "Das ist nicht nur ein Trend. Designer tragen Verantwortung hinsichtlich der Umwelt- und Sozialverträglichkeit von Textilien. Sie bilden eine innovative Branche, die auch darauf reagieren muss, dass eine immer größere Zahl von Verbrauchern beim Konsum genauer hinschaut."