Die Passion Jesu ist schwer auszuhalten. Sie konfrontiert uns mit der Not in der Welt. Doch auf das Leiden folgt auch Hoffnung - Ostern

Frida ist mir in Erinnerung geblieben. Sie kam mit einer 3. Klasse in eine Kirche zu einer Kirchenführung. Die Schülerinnen und Schüler bildeten zu Beginn eine lange Reihe. Still und langsam gingen wir hintereinander durch den Kirchraum, um Eindrücke zu sammeln. Als wir uns setzten, meldete sich Frida. Schon bei den ersten Worten schluchzte sie. "Dass Jesus gestorben ist, das tut mir so leid", sagte sie, schaute auf das Kreuz im Altarraum und weinte.

So wie Frida erleben Kinder Kreuzesdarstellungen unmittelbar. Die Darstellungen des Leidens Jesu in Kirchen oder auf Bildern, zum Beispiel in den Kinderbibeln, sprechen sie direkt an. Jesus am Kreuz macht sie traurig, nachdenklich und ruft viele Fragen hervor. Kein Kind bleibt unberührt.

Mit Erwachsenen ist das anders. Sicherlich, Kreuze spielen auch im Leben von Erwachsenen eine Rolle, vornehmlich bei Frauen. Als Kettenanhänger oder auch als andere Modeaccessoires können die Kreuze als Schmuck gar nicht groß und auffallend genug sein. Doch der Trend ist wohl kein Ausdruck von gesteigertem Interesse an Jesu Passion.

Im Gegenteil: Das Leiden von Jesus ist den meisten Zeitgenossen egal. Es ruft verständnisloses Achselzucken hervor. Natürlich, im Allgemeinen weiß man davon, man kennt grob die Geschichte. Noch. Aber mit der Frage nach der persönlichen Bedeutung wird man wohl eher Verwunderung hervorrufen und die Rückfrage erhalten: Habe ich etwa etwas damit zu tun? Oder das Leiden wird als Zumutung empfunden und löst Abwehr aus: Hört doch endlich auf mit diesen traurigen Geschichten. Wo bleibt denn das Positive?

Verständliche Reaktionen. Leicht ist der Zugang zu dem Kreuz und der Passionsgeschichte nicht. Auch die ersten Christen taten sich schwer. Über die Frage, wie das Sterben von Jesus zu verstehen sei, gab es handfeste Streitigkeiten. Immer wieder wurden Anläufe zur Deutung genommen. Insofern finden sich die, die Anfragen an die Passion haben, in guter Gesellschaft. Und es ist weder despektierlich noch illegitim, Fragen nach dem Sinn und der heutigen Bedeutung zu stellen.

Vor allem, wenn man sehr alte Kirchen betritt und die gewaltigen Kreuzesdarstellungen mit dem leidenden Jesus sieht, stellt sich die Frage unausweichlich: Warum ist das Kreuz im christlichen Glauben so zentral, dass in jeder Kirche ein mehr oder weniger großes Kreuz steht? Und ist es auch heute noch ein überzeugendes Symbol für die wichtigste Botschaft des Christentums?

Bei Kirchenerkundungen mit älteren Schülern bleiben wir oftmals bei diesen Fragen hängen. So formulierte ein Sechstklässler: "Finden die Leute das eigentlich toll, dass da ein Toter in der Kirche hängt?"

Theologische Referate und langatmige Erläuterungen sind bei solchen Fragen fehl am Platze. Noch dazu, wenn so pointiert gefragt wird.

Ich habe es in etwa mit folgender Antwort versucht: "Nein, toll oder schön findet das keiner. Das Kreuz ist ein Zeichen, bei dem jeder noch Fragen hat und endgültige Antworten sucht. Mich konfrontiert das Kreuz mit dem Leiden in der Welt. All das, was oftmals nicht die Titelseiten unserer Zeitungen beherrscht, weil es nicht in unsere Welt des schönen Seins und Scheins hineinpasst. Und worüber ich auch am liebsten in meinem eigenen Leben hinwegsehe, weil es mich stört oder mir unbequem ist. Das Kreuz sagt mir, dass Gott diese dunklen und furchtbaren Momente im Leben kennt. Er kennt das Leiden, die unerträgliche Not. Gott hat das selbst erlitten. Ihm ist das nicht zu viel. Er schaut hin."

"Aber muss es deswegen in der Mitte jeder Kirche stehen?" fragte mich der Schüler weiter.

"Das ist sicher eine Zumutung. Aber leichter ist das Leben nicht zu haben. Es ist eine realistische Sicht der Welt. Not ist ein Teil unseres Lebens. In der Kirche wird man sozusagen mit der Nase darauf gestoßen. Aber, und das ist wichtig, da ist noch der zweite Teil der Botschaft: Das Kreuz ist nicht das Ende. Die Geschichte Gottes mit den Menschen geht weiter. Auf das Kreuz folgt die Auferstehung, Ostern."

Andere Schüler mischten sich lebhaft in das Gespräch ein.

Gespräche über Sinn und Unsinn des Kreuzes. Auch ein Zeichen der Hoffnung. Eingeladen dazu sind alle!